Der Markt für Hightech-Sexspielzeug wächst rasant. Wissenschaftler erforschen die möglichen Folgen. Bis Roboter wirklich wie Menschen aussehen und sich entsprechend verhalten, dürfte aber noch einige Zeit vergehen.

London - Es ist schon verrückt, wie viel Staub eine Konferenz mit vielleicht 200 Teilnehmern aufwirbeln kann. In London haben sich am Montag und Dienstag Wissenschaftler aus aller Welt getroffen, um sich mit dem Thema „Sex and love with robots“ zu beschäftigen. Wird eines Tages Alltag sein, dass Menschen Sex mit Robotern haben? Wird es gesellschaftsfähig sein, einen maschinellen Lebenspartner zu geselligen Events auszuführen? Und wie wird sich das auf unser Zusammenleben auswirken? Die berechtigten Fragen der Philosophen, Soziologen, Informatiker und Psychologen gingen fast unter in der reißerischen Berichterstattung auf der einen Seite und in der Empörung, die das Thema auf der anderen Seite offenbar mit sich bringt.

 

Nachdem die Konferenz in Malaysia verboten worden war und der dortige Polizeichef sie als „lächerlich, unwissenschaftlich und nicht zu unserer Kultur passend“ bezeichnet hatte, fand sie Zuflucht an der Londoner Uni – in der Kunsthochschule Goldsmith. Aber auch hier gab es Gerüchten zufolge Bedenken, ob das Thema nicht dem Ruf der Uni schaden könne. „Immerhin gab es keine Angriffe oder Störungen, vor Ort war die Stimmung sachlich und interessiert“, beschreibt der Maschinenethiker Oliver Bendel seine Eindrücke. Anders als die Forscher vor Ort hatten seine Kollegen zu Hause aber wenig Verständnis für sein Interesse: „Du beschäftigst dich mit so was? Das ist ja abscheulich.“ Reaktionen wie diese hört er immer wieder.

Bendel findet das Thema wichtig und fürchtet, dass angesichts solcher Reaktionen immer weniger Forscher bereit seien, sich mit den ernsten und wichtigen Fragen zu beschäftigen, die es mit sich bringt – gerade jetzt, wo die technischen Möglichkeiten wachsen und erste Sexroboter mittels künstlicher Intelligenz versuchen, menschlich auf Menschen zu reagieren. Vernetzte Sextech-Geräte bringen schon heute einen Umsatz von 30 Milliarden Dollar, warnte Kate Devlin von der University of London: „Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten.“ Deshalb sei es umso wichtiger, das Thema nicht zu tabuisieren oder gar zu verbieten, „sondern frühzeitig einzusteigen und es mit zu formen“.

Schon in der griechischen Mythologie gibt es künstliche Menschen

Ganz neu ist das Thema nicht. So beschäftigten sich die Forscher in London auch mit der Ideengeschichte. „Man sieht, dass wir Menschen es schon immer spannend fanden, künstliche Menschen zu schaffen und uns mit diesen zu vergnügen“, sagt Bendel, der auf der Konferenz über die ethischen Aspekte der Sexroboter gesprochen hat. So soll sich Hephaistos, der Gott der Schmiede in der griechischen Mythologie, einst zwei goldene Dienerinnen geschaffen haben – und man kann das durchaus so interpretieren, dass diese ihn darüber hinwegtrösteten, dass seine Frau Aphrodite ihn mit Ares betrog. Später schuf er Pandora zunächst aus Lehm, erweckte sie zum Leben und stattete sie mit Schönheit und Verführungskünsten aus – mit den bekannten verhängnisvollen Folgen.

Was die Macher der Firma True Companion heute Realität werden lassen wollen, ist gar nicht so weit weg davon: Die angeblich „weltersten Sexroboter“ sollen für den Menschen stets bereit stehen, „echte“ Gefühle zeigen und auch einen Orgasmus haben können. Den Roboter gibt es als Roxxxy – eine weibliche Variante – sowie als männlichen Rocky. Die Nutzer können Roxxxy in fünf Charakteren wählen – von schüchtern über lernwillig bis draufgängerisch. Bis die Roboter aber tatsächlich wie Menschen aussehen und sich entsprechend verhalten, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen.

Die Anbieter versuchen das derweil mit einer erotischen Stimme und entsprechendem Vokabular wettzumachen. „Dirty Talk klappt schon ganz gut, das ist keine große Sache“, sagt Bendel. Die maschinelle Sprachverarbeitung macht große Fortschritte, Menschen unterhalten sich mit Assistenten wie Siri – warum also nicht auch mit Sexrobotern? Im kommenden Jahr will Adobe den Audio-Editor auf den Markt bringen – eine Software, mit der jeder Sprachdaten bearbeiten kann wie Fotos mit Photoshop. „Dann wäre es möglich, dass ich meinem Roboter die Stimme meiner Partnerin gebe“, sagt Bendel.

Eine Chance für schüchterne Menschen?

Wir können uns Ersatzmenschen bauen ähnlich wie Hephaistos, wenn wir gerade nicht geliebt werden oder wenn der Partner gerade nicht verfügbar ist. Manche Forscher sehen darin eine Chance für schüchterne Menschen oder Menschen mit körperlichen Problemen, die ansonsten keine sexuellen Beziehungen haben könnten. „Menschen sehnen sich nach Berührung und Zuneigung“, so Kate Devlin, „aber nicht alle haben Zugang zu menschlichen Partnern.“

Wenn sich Erwachsene mit erwachsenen Sexrobotern vergnügen, spricht aus Bendels Sicht kaum etwas dagegen – „solange sie nicht komplett abtauchen“. Dass wir Gefühle für Roboter entwickeln können und uns in diese verlieben, sei klar: „Ich habe auch Gefühle für mein Auto“, sagt er, viele Menschen geben ihren Wagen Namen. Andersherum allerdings brauchten wir uns keine Hoffnungen zu machen, dass Roboter diese Gefühle erwidern. „Maschinen können keine Gefühle entwickeln, und das wird auch so bleiben.“

Zeitweiser Ersatz des Liebsten

Auch wenn es noch lange nicht salonfähig sein wird, seinen Freunden Roxxxy als die neue Partnerin vorzustellen, ist zeitweise ein Ersatz des Liebsten durch einen Roboter durchaus denkbar: „Wieso nicht, wenn der Partner gerade nicht da ist?“, fragt Bendel. Auch wenn es aktuell für viele befremdlich erscheint, ist es in Zukunft angesichts der immer globalisierteren und mobileren Gesellschaft gar nicht so abwegig, die ersehnte Nähe technisch über Entfernung zu transportieren.

Auf der Konferenz wurde etwa ein Gadget namens „Kissenger“ vorgestellt, „das welterste Kuss-Transfergerät“: Nutzer können auf eine Fläche küssen und diesen Kuss in Echtzeit an ihren Partner irgendwo auf der Welt übertragen. Dieser hat ein vergleichbares Gerät und „spürt“ den Kuss. Haptik zu übertragen gilt als der nächste große Schritt in der Sexspielzeugindustrie – und erste Anfänge gibt es schon.

Kritiker warnen vor gefährlichen Nebenwirkungen

Widerstand Die US-Forscherin Kathleen Richardson hat eine Kampagne gegen Sexroboter ins Leben gerufen und fordert einen Entwicklungsstopp. „Es lässt die Idee zu, menschliche Beziehungen seien optional und alle Bedürfnisse könnten von Maschinen gestillt werden“, sagt sie. Ihre Hauptkritik: Sexroboter degradierten Frauen endgültig zum Objekt, was zu einer weiteren Ungleichheit in der Gesellschaft führen könnte.

Risiken Andere Forscher warnen davor, dass Menschen im Umgang mit solchen Maschinen ein gewalttätiges Verhalten einüben können, das dann auch in die reale Welt übertragen wird – weil es normal geworden ist. Noch gibt es dazu allerdings kaum Forschung und keine Belege für eine derartige Entwicklung. Oliver Bendel sieht darin bislang keine große Gefahr: „Beim klassischen Sexspielzeug, das vor allem für Frauen gemacht ist, werden Männer zu Objekten gemacht, es reduziert sie auf ihr Geschlechtsteil – und da hält sich die Empörung in Grenzen.“

Pädophilie Eine weitere bedenkliche Entwicklung ist die, dass sowohl Sexpuppen als auch die Charaktere in Sexspielen in der virtuellen Realität immer jünger werden. Auch den Sexroboter Roxxxy kann man als Modell „Young Yoko“ bestellen. Manche Forscher hoffen, dass Pädophile auf diese Weise ihren Neigungen nachgehen können, ohne anderen Menschen Schaden zuzufügen. Bendel hält das für problematisch: „Es könnte auch ein permanentes Einüben des falschen Verhaltens werden.“ Auch hier setzt er aber auf die Forschung von Psychologen und Medizinern: „Wenn so etwas hilft innerhalb von kontrollierten Therapien, so dass Betroffene in der Realität nicht mehr übergriffig werden, wäre es vielleicht sinnvoll.“