Wie der Staat Asylverfahren beschleunigen, Abschiebungen erleichtern und Flüchtlinge zur Kasse bitten will. Unser Korrespondent Armin Käfer erläutert den neuen Gesetzesentwurf des Innenministeriums.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Politik ist für gewöhnlich ein zäher Prozess. Manchmal kann es aber auch sehr schnell gehen. Am 5. November hatten sich Angela Merkel und die Chefs ihrer zwei Koalitionsparteien darauf verständigt, was sie tun wollen, um des Ansturms der Flüchtlinge Herr zu werden. Jetzt gibt es einen Entwurf für ein Gesetz, das die Asylvorschriften erneut verschärfen soll. Nächste Woche will das Kabinett entscheiden. Die bis jetzt unveröffentlichte Beschlussvorlage umfasst 19 Seiten. Sie liegt der Stuttgarter Zeitung vor. 17 Paragrafen des Asyl- und des Aufenthaltsgesetzes werden damit geändert und ergänzt. Hier folgen die wichtigsten Regeln:

 

Beschleunigte Asylverfahren

Asylbewerber mit zweifelhaften Ansprüchen auf ein Bleiberecht sollen künftig ähnlich wie bei dem umstrittenen Flughafenverfahren behandelt werden. Sie werden zu diesem Zweck separat untergebracht. Von Transitzonen ist nicht mehr die Rede. Die Koalitionäre hatten sich auf Registrierzentren verständigt. Diese heißen jetzt „besondere Aufnahmeeinrichtungen“. Dort soll das Asylverfahren binnen einer Woche abgewickelt werden. Dazu kommen zwei Wochen für eventuelle Rechtsmittel. Der Personenkreis, der diesem Expressverfahren unterliegen soll, ist in einem Katalog mit zehn Kriterien festgelegt. Es geht dabei um Flüchtlinge, die bei ihrem Asylgesuch Gründe nennen, die „nicht von Belang“ seien. Zudem sind alle Bürger sicherer Herkunftsländer zu diesem Kreis zu rechnen. Dazu kommen Asylbewerber, die nicht im Besitz eines Ausweises sind sowie gegenüber den Asylbehörden falsche, widersprüchliche oder „unwahrscheinliche Angaben“ machen. Die Drei-Wochen-Frist gilt auch für alle, die schon einmal erfolglos einen Asylantrag gestellt haben, sowie für Leute, die ausgewiesen wurden, weil sie als „Gefahr für die nationale Sicherheit“ gelten.

Härtere Auflagen

Flüchtlinge werden verpflichtet, in den für Expressverfahren reservierten Unterkünften zu bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. „Damit kann sichergestellt werden, dass die Rückführung unmittelbar aus der Aufnahmeeinrichtung erfolgen kann“, heißt es im Gesetzentwurf. Wer untertaucht und sich der „räumlichen Beschränkung“ entzieht, dessen Asylverfahren wird eingestellt; ihm droht unmittelbar die Abschiebung. Eine solche Einstellung des Verfahrens soll künftig ohne weitere Ankündigung möglich sein. Eine Wiederaufnahme müsste erneut beantragt werden – für die betroffenen Personen wäre das die letzte Chance, ein Bleiberecht zu erlangen. Asylbewerber sollen künftig für Integrations- und Sprachkurse zur Kasse gebeten werden. Ihnen wird dafür 1,39 Euro monatlich von der Sozialhilfe abgezogen. Die beträgt für Einzelpersonen 359 Euro im Monat. Schon jetzt eröffnet das Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit, dass der Staat „Kosten in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit“ für Kurse in Rechnung stellen darf. Sie sind bisher aber nicht genau beziffert. Die 1,39 Euro orientieren sich am Warenkorb zur Berechnung der Regelbedarfssätze. Demnach sind 3,86 Prozent der Sozialhilfe für Kurse vorgesehen – das macht aufgerundet 1,39 Euro.

Erleichterte Abschiebung

Wer zur Ausreise verpflichtet ist, kann künftig nicht mehr ohne Weiteres gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung geltend machen. Solche Gründe liegen laut Gesetzentwurf nicht vor „bei Abschiebung in einen Staat mit ausreichender medizinischer Versorgung“, sofern die Betroffenen nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden. Eine ausreichende medizinische Versorgung wird in sämtlichen Staaten Europas inklusive Türkei unterstellt. Auch psychiatrische Gutachten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen sollen Abschiebungen nur „in seltenen, eng umgrenzten Ausnahmen“ verhindern.

Gebremster Familiennachzug

Flüchtlinge, die nur „subsidiären Schutz“ genießen, können ihre Familie erst nach zwei Jahren nachholen. Begründung: „Ein Nachzug in die Arbeitslosigkeit und damit in die Perspektivlosigkeit soll es nicht geben.“ Die Dimension des Familiennachzugs sei „gesellschaftspolitisch schwer darstellbar“. Seine Auswirkungen würden „zusehends unkalkulierbar“. Es sei „wichtig und richtig, dass Bürgerkriegsflüchtlinge in den Schutzräumen der Krisenregionen gemeinsam mit ihren Familien verbleiben“.