Die Linkspartei will einen Gegenkandidaten zu Joachim Gauck aufbieten. Insbesondere wirft sie ihm ein mangelndes Gerechtigkeitsgefühl vor.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Joachim Gauck verteidige Hartz IV und lege den Freiheitsbegriff einseitig aus, kritisieren die Linken. Aber auch die Kanzlerin werde mit ihm „ihr blaues Wunder erleben“, prophezeien sie.

 

Frau Lötzsch, stellt sich die Linkspartei bei der Bundespräsidentenwahl ins Abseits, wenn sie dem Allparteien-Präsidenten Joachim Gauck die Stimme verweigert?
Ganz im Gegenteil. Die Reaktionen auf die Kandidatur von Joachim Gauck sind völlig anders als 2010. Viele Menschen äußern sich ihm gegenüber kritisch. Für uns ist entscheidend, dass Gauck auf die Ärmeren in der Gesellschaft herabschaut, indem er Hartz IV verteidigt. Wer das tut, nimmt hin, dass Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können. Zudem legt er den Freiheitsbegriff sehr einseitig aus. Ich stimme Friedrich Schorlemmer zu, der gesagt hat: Freiheit ohne soziale Gerechtigkeit ist keine Freiheit. Gauck hat sich auch für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und empört damit die Internetgemeinde.

Hat man sich somit auf eine Dauerkritik am Bundespräsidenten von Ihnen einzustellen?
Das wird davon abhängen, wie sich Joachim Gauck verhält. Ich bin der festen Überzeugung, dass die fünf Parteien, die ihn vorgeschlagen haben, ihr blaues Wunder erleben werden. Gauck wird die Kanzlerin spüren lassen, dass er nicht schon 2010 ihr Kandidat gewesen ist, sondern der von SPD und Grünen.

Warum hätte die Kanzlerin die Linke unter diesen Umständen beteiligen sollen?
Im Kandidatenkarussell waren schon Namen von Persönlichkeiten, die uns nicht automatisch dazu gebracht hätten, einen Gegenkandidaten aufzubieten.

Wen hätten Sie denn unterstützt?
Jemanden, der sich den sozialen Fragen und der Umweltpolitik offen gegenüber zeigt und als Präsident ein anderes Verhältnis zu den Bürgern hat als das eines Oberlehrers.

Zumindest im Westen gibt es an Ihrer Basis Zustimmung für den populären Gauck?
Es gibt natürlich Menschen, die von seinem Auftreten beeindruckt sind. Der Wunsch, in schwierigen Zeiten etwas Pastorales zu hören, vermag ja auch von der Wirklichkeit ein wenig wegzuführen.

Mit Luc Jochimsen 2010 und Peter Sodann 2009 haben Sie kaum einen Achtungserfolg erzielt – inwieweit lernt die Linkspartei aus der Vergangenheit?
Luc Jochimsen hatte im ersten Wahlgang mehr Stimmen, als die Linke Wahlleute. Und sie hat eindrucksvoll unsere zentrale Botschaft einer solidarischen Gesellschaft transportiert.