Seit Jahren bereist der StZ-Redakteur Christian Gottschalk Kuba. Im Treffpunkt Rotebühlplatz diskutierte der Politikredakteur in der Reihe StZ Direkt – VHS Pressecafé zum Thema „Hat der Tropische Sozialismus eine Zukunft?“.

Stuttgart - Patria o muerte“ – „Vaterland oder Tod“ ist auf einem Schild zu lesen, eine Pferdekutsche wird am Straßenrand repariert, eine Dame aus dem Nirgendwo steigt mit Eiern auf den Arm in einen Bus, der aus den 20er-Jahren zu stammen scheint. Eindrücke aus Kuba, die Christian Gottschalk fotografiert hat. Der StZ-Redakteur bereist seit Jahren die Karibikinsel, im Treffpunkt Rotebühlplatz berichtete er davon in der Reihe Stuttgarter Zeitung Direkt – VHS Pressecafé. „Hat der Tropische Sozialismus eine Zukunft?“ lautete das Thema.

 

Hintergrund: Seit Dezember 2014 nähern sich die USA und Kuba diplomatisch an, Länder, die über fünf Jahrzehnte als Todfeinde galten. „Was das für die Kubaner bedeutet, ist derzeit schwer abzuschätzen“, so Gottschalk. „Wenn das Embargo fällt, verschwindet auch die Rechtfertigung für die Castros, wenn etwas schief gegangen ist.“

Andererseits sei die Frage, ob, wenn das Handelsembargo falle, Massenware von US-Konzernen das Kleinunternehmertum zerstöre, das seit fünf Jahren in Kuba unterstützt werde. „Wir haben Kleinunternehmer gefragt! Sie glaubten an ihre Chance, weil sie total biologische, einwandfreie Produkte hätten“, erzählte der Journalist und verwies auf ein Foto: „Salsa de Ajo“, selbst hergestellte Knoblauchsoße, abgefüllt in Heineken-Bierflaschen. „Diese Minifirma hat Gemüse, aber keine Flaschen. Es wird alles genommen, was geht. Problematisch sind Transport und Material.“

Gottschalk: „Kuba ist ein widersprüchliches Land“

Es gebe auch Friseursalons, denen es aber an Shampoos oder Föns fehle oder Restaurants mit vielen Angeboten auf den Speisekarten, von denen aber nur das Wenigste zu haben sei. Dennoch seien viele Läden entstanden, hauptsächlich Zimmervermietungen, Casa Particulares, bei denen Reisende den Familienanschluss inklusive hätten. „Kuba ist ein widersprüchliches Land“, betonte Gottschalk. „Das einzige mit zwei Währungen, den Peso cubano oder nacional sowie den Peso convertible.“ Letzterer ist an den Dollar gebunden, den er einst als Währung ersetzte.

Der Journalist ergänzte: „Die Kubaner tanzen zwar nicht ständig fröhlich, aber sie sind Lebenskünstler und haben eine Art gefunden, mit den Problemen und dem Mangel umzugehen.“ Es gebe Bildung und kaum Analphabeten, aber keine Jobs. Es herrsche keine Unter-, aber Fehlernährung, das Essen sei stärkereich und vitaminarm. Das Gesundheitssystem sei gut, aber es gebe keine Medikamente, mittlerweile seien viele Ärzte emigriert.

Ob das im Zuge der Annäherung an die USA junge Menschen tun werden, sei noch nicht zu beantworten. Mit Reiner Hoffmann von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba war er sich einig, dass die Menschen offen für Veränderungen seien, indes gleichzeitig der Sozialismus noch tief verwurzelt sei. „Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Kuba auf die Nase gefallen“, so Gottschalk. „Nun setzt es auf mehrere Pferde, neben China, Brasilien, Mexiko und Venezuela auch auf die USA.“