Der neue Gestaltungsbeirat der Stadt hat seine Arbeit aufgenommen. Das Expertengremium hat bereits in seiner ersten Sitzung für einige Bauprojekte kritische Worte gefunden.

Stuttgart - Der aus acht Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern bestehende Gestaltungsbeirat hat am Dienstag im Literaturhaus seine Arbeit aufgenommen – und mit der kritischen Beurteilung von vier Projekten und kreativen Alternativvorschlägen ein Zeichen gesetzt für Qualität in der Stadtplanung und Architektur. Den Vortragenden wurde zu verstehen gegeben, ihre Pläne zu überarbeiten und noch einmal im Beirat zu präsentieren.

 

Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), der sich die Einrichtung des vom Bund geförderten Fachgremiums mit Mitgliedern aus Deutschland und Österreich auf die Fahne schreiben darf, zeigte sich danach zufrieden. Die Anregungen des Beirats seien doch eine große Hilfe für Investoren und Architekten, aber auch für die Verwaltung und den Gemeinderat.

Das Interesse der Ratsfraktionen war gering

Als enttäuschend wurde die spärliche Teilnahme von Mitgliedern des Gemeinderates an der Kennenlernveranstaltung am Montag im Hospitalhof und am Dienstag im Literaturhaus registriert. FDP, Freie Wähler sowie SÖS/Linke-plus waren bei beiden Veranstaltungen überhaupt nicht vertreten, die übrigen Ratsfraktionen jeweils nur durch ein bis zwei Vertreter.

Pätzold lobte die fachliche Qualität, räumte aber ein, dass organisatorisch nicht alle Hausaufgaben gemacht worden waren. Die Vorträge und Stellungnahmen im Literaturhaus waren für das Publikum mangels Lautsprecher teils nur schwer zu verstehen. Mancher Präsentation mangelte es an Vollständigkeit und Übersichtlichkeit.

Kritik an einem Projekt der SWSG

Am Dienstagmorgen hatte sich der Gestaltungsbeirat vor Ort ein Bild von vier Projekten gemacht. Am Nachmittag verzichtete er auf lange Vorreden und arbeitete sich mit Vehemenz am Vorhaben der städtischen Wohnungsbautochter SWSG ab, ein altes Gebäude im Leonhardsviertel (Jakobstraße 4) abzubrechen und ein neues Wohnhaus zu errichten. Geschäftsführer Helmuth Caesar verwies auf die schlechte Bausubstanz und die geringen Deckenhöhen, die zeitgemäßes Wohnen ausschließen würden. Professor Johannes Kister (Köln) setzte aber gleich mit dem ersten Wortbeitrag ein Zeichen: „Der Abrissvorschlag überzeugt mich überhaupt nicht“ – auch deshalb, weil ein klärendes Gutachten zur Bausubstanz noch aussteht.

Kritisiert wurde auch die Fassadengestaltung mit hohen Fenstern, die die horizontale Aufteilung der Nachbargebäude unterbreche. Pätzold war dankbar für die Anregungen. Wer mitten in der Stadt in einem alten Gemäuer wohnen wolle, könnte sich wohl auch mit niedrig gehängten Decken abfinden, sagte er. Am Mittwoch findet eine Begehung mit SWSG-Vertretern und Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle statt.

Einige Querdenker sind dabei

Lob und Tadel gab es für den Fritz Campus, ein Büroquartier in Zuffenhausen, das in privater Initiative zwischen Wohn- und Industriegebiet entstehen soll. Die Anordnung der mächtigen Gebäude mit zentralem Platz fanden Zustimmung, der Übergang zum Wohngebiet nicht. Herwig Spiegl, Querdenker aus Wien, schlug vor, die Brücke mit wenigstens einem Wohngebäude zu schlagen.

Beim Umbau eines Hochbunkers in Steinhaldenfeld in einen viergeschossigen Wohnturm legte der Bauherr vorsorglich „die Entscheidung in Ihre Hände“. Es ging ihm vor allem um die Frage der besten Dachform. Der Beirat empfahl ihm ein größeres Dach und ein grundsätzliches Nachdenken über eine „extremere Radikalität“.

Der Baubürgermeister ist zufrieden

Hausaufgaben erhielt auch das Hochbauamt, das sich müht, in die denkmalgeschützte Sachgesamtheit Vogelsangschule eine Mensa einzubringen. Zwei Alternativen stehen zur Debatte. Der Beirat tendiert zu jener, die das Denkmal schützt und die Schule wegen fehlender Praktikabilität ablehnt. Schließlich wurde aber eine dritte Möglichkeit entdeckt. Für Peter Pätzold ein gutes Zeichen: „Wir waren selbst nicht überzeugt und gehen noch einmal in uns.“