Vom 20. Mai an müssen auf Zigarettenpackungen drastische Fotos von Gesundheitsschäden durch Rauchen abgebildet werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Schockbilder tatsächlich mehr Raucher abschrecken als reine Textbotschaften.

Stuttgart - Faulende Zähne, schwarze Raucherlungen, wuchernde Geschwüre im Mund: Schockierende Fotos werden ab Ende Mai auf Zigarettenschachteln darauf hinweisen, wie sehr Rauchen der Gesundheit schadet. Die drastischen Abbildungen sollen zusammen mit schriftlichen Warnhinweisen auf zwei Dritteln der Fläche einer Schachtel von neu produzierten Zigarettenpackungen zu sehen sein. Dies schreibt die neue Tabakrichtlinie vor.

 

Doch halten die Gruselfotos den Raucher tatsächlich davon ab, zur gewohnten Zigarette zu greifen? Schützen die Abbildungen Kinder und Jugendliche davor, mit dem Rauchen anzufangen? Und schaffen es abstinente Ex-Raucher besser, für immer rauchfrei zu bleiben? „Diese Fragen können mit einem klaren und deutlichen Ja beantwortet werden“, sagt Martina Pötschke-Langer, Suchtexpertin am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Ein Bild sage einfach mehr als tausend Worte.

Bereits im Jahr 2013 hat ein Team am DKFZ fast hundert internationale wissenschaftliche Studien ausgewertet, die sich mit der Wirkung von Warnbildern auf das Rauchverhalten des Menschen auseinandersetzten. Dabei habe sich gezeigt, so Pötschke-Langer, dass Fotos kombiniert mit Warnhinweisen den reinen Textnachrichten auf Zigaretten- oder Tabakpackungen deutlich überlegen waren. Zum gleichen Ergebnis kam auch eine Untersuchung des International Tobacco Control Policy Evaluation Project (ITC), bei der Daten aus 19 Ländern ausgewertet wurden.

Viele gewöhnen sich an schriftliche Warnhinweise

„Zwar haben die schriftlichen Warnhinweise, als sie eingeführt wurden, eine gewisse Aufmerksamkeit erregt“, sagt die Ärztin, doch an die Textbotschaften habe man sich gewöhnt. Kaum einer der Raucher nehme noch bewusst diese kleinen Texte am unteren Rand der Schachtel wahr.

Ganz im Gegenteil, erklärt Pötschke-Langer, die Packungen seien trotz der Textbotschaften optisch sehr ansprechend, mit schönen Farben und glamouröser Aufmachung vor allem auch für Frauen optisch attraktiv. Abschreckende Fotos hingegen, die fast die gesamte Packung einnehmen, könne man kaum übersehen und sich auch nicht daran gewöhnen. „Derartige Bilder setzen sich fest, sie graben sich ins Gedächtnis ein“, ist die Heidelberger Wissenschaftlerin überzeugt.

Dies hat auch eine experimentelle Studie ergeben, die Ende des letzten Jahres in der Online-Fachzeitschrift „Plos One“ veröffentlicht wurde. Wie abschreckend die Schockfotos wirken, hat ein Team um die Psychologin Abigail Evans von der Ohio State University in Columbus gezeigt. Die Psychologen haben 244 erwachsene und regelmäßige Raucher in ihre Studie aufgenommen, die täglich zwischen fünf und vierzig Zigaretten qualmten und keine Lust verspürten aufzuhören.

Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen unterteilt: Eine Gruppe erhielt weiterhin ihre jeweilige Zigarettenmarke mit den üblichen Textbotschaften, wie etwa „Rauchen kann tödlich sein“. Eine zweite Gruppe wurde zusätzlich zu den Warnhinweisen mit den Fotos auf der Schachtel konfrontiert. Die Teilnehmer der dritten Gruppe wurden zusätzlich zu den Fotos mit ausführlichen Erläuterungen zur schädlichen Wirkung des Rauchens informiert. Nach vier Wochen schilderten die Teilnehmer ihre Wahrnehmung und ihr Rauchverhalten.

Raucher kommen ins Nachdenken

Die Schockfotos in Verbindung mit den kurzen Warnhinweisen zeigten den besten Effekt: Die Raucher gaben an, sich beim Griff zum Glimmstängel zunehmend unwohl zu fühlen und darüber nachzudenken, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Fotos riefen bei den Probanden deutlich negativere und bleibende Emotionen hervor als die bisher üblichen kurzen Textbotschaften. Zudem steige zusammen mit den Fotos die Glaubwürdigkeit derartiger Kurzbotschaften, so die Forscher. Allerdings gilt dies nur für die kurzen Textbausteine. Umfangreiche Informationen über die Schädlichkeit des Rauchens hingegen senkten überraschenderweise die Glaubwürdigkeit. Zusammenfassend erklären die amerikanischen Forscher, dass sich das Bewusstsein der Raucher aufgrund der negativen Emotionen durch die schockierenden Fotos verändert – die Raucher wissen mehr über die gesundheitlichen Risiken und kommen häufiger ins Nachdenken.

Die gruseligen Fotos bleiben nicht nur den Rauchern in Erinnerung und schrecken ab. Man könne damit auch junge Menschen davon abhalten, mit dem Rauchen überhaupt erst anzufangen, erklärt Martina Pötschke-Langer: „Viele Jugendliche ekeln sich davor, eine Packung mit einem derart abstoßenden Foto anzufassen.“ Und ehemalige Raucher sähen sich in ihrem Rauchstopp bestätigt: „Wenn ein Ex-Raucher das Foto einer zerfressenen Raucherlunge sieht, wird sein abstinentes Verhalten belohnt. Und er kann der Sucht besser widerstehen.“ Damit werde die Rückfallquote gesenkt.

Einige unverbesserliche Raucher gibt es allerdings überall auf der Welt, auch dies zeigen Studien immer wieder. Bei diesen Menschen können auch Schockfotos nichts ausrichten. Ganz im Gegenteil: Die Raucher fühlen sich bevormundet und rauchen aus einer Art Trotz weiter. In diesen Fällen, das weiß die Heidelberger Medizinerin, sei einfach nichts zu machen.