Kaliummangel kann zu Herzrhythmusstörungen führen – und eine Verkalkung der Blutgefäße begünstigen. Doch die richtige Ernährung kann dem vorbeugen.

Stuttgart - Kalium? Davon hat im Chemieunterricht wahrscheinlich jeder schon gehört. Viele wissen auch, dass dieser Mineralstoff wichtig ist und wie Natrium zu den Elektrolyten zählt. Doch die Bedeutung von Kalium für die menschliche Gesundheit wurde bislang unterschätzt, sagt Ralf Kinscherf, stellvertretender Leiter des Instituts für Anatomie und Zellbiologie an der Philipps-Universität Marburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung. „Kalium spielt beispielsweise eine wichtige Rolle für die Herztätigkeit“, erklärt Kinscherf. „Es ist daran beteiligt, dass sich das Herz rhythmisch zusammenzieht.“

 

Bei einem Kaliummangel (Hypokaliämie) kann es deshalb zu Herzrhythmusstörungen kommen. Das weiß man schon länger. Nun gibt es Hinweise darauf, dass Kaliummangel sogar eine Arteriosklerose, oder umgangssprachlich Arterienverkalkung, fördern kann, wie man im international anerkannten Fachblatt „JCI Insight“ nachlesen kann. „Wir haben eine ursächliche Verbindung zwischen einer verringerten Kaliumzufuhr und der Gefäßverkalkung bei Arteriosklerose entdeckt“, schreibt die Studienleiterin und Pathologin Yabing Chen von der University of Alabama. Wer über längere Zeit zu wenig Kalium in seinem Blutserum hat, hat deshalb ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten. Das haben die US-Mediziner bei Mäusen festgestellt. „Eine sehr gut durchgeführte, hochinteressante Studie mit ernst zu nehmenden Ergebnissen“, lobt Kinscherf.

Nachdem die Forscher diesen Zusammenhang entdeckt hatten, wollten sie auch wissen, was bei einem Kaliummangel auf molekularer Ebene passiert. Versuche mit Zell- und Gewebekulturen lieferten eine Antwort auf diese Frage. „Ein niedriger Kaliumspiegel bewirkt, dass mehr Kalziumionen durch spezielle Kanäle in die Muskelzellen einströmen“, erklärt Kinscherf. „Im weiteren Verlauf entsteht in der Muskelzelle vermehrt der Knochenbestandteil Kalziumphosphat. Die Zelle wird knochenzellähnlich und verkalkt.“ Außerdem werden für die Elastizität der Arterie wichtige Elastinfasern abgebaut.

Zu viel Kalium kann dem Körper auch schaden

Die Konsequenzen liegen für die Ernährungswissenschaftlerin Sabine Ellinger von der Hochschule Niederrhein auf der Hand. „Es ist wichtig, genug Kalium mit der Nahrung aufzunehmen und Kaliumverluste zu vermeiden.“ Daher sollte man ab und an beim Hausarzt die Kaliumwerte untersuchen lassen.

Es wäre jedoch gefährlich, aus Angst vor einem Kaliummangel einfach ohne vorherige Blutuntersuchung und ohne ärztliche Betreuung Kaliummonopräparate zu schlucken, warnt Ellinger. Die Kaliumwerte können dann nämlich innerhalb kürzester Zeit auf Werte schnellen, die ebenfalls mit Gesundheitsrisiken verbunden sind. Mögliche Folgen sind Darmverschluss, Muskelschwäche und -lähmung, Lungenversagen und Herzrhythmusstörungen.

„Ist die Nierenfunktion gestört und wird deshalb zu wenig Kalium mit dem Urin ausgeschieden, kann es bereits ohne zusätzliche Einnahme eines Kaliumpräparats zu einer möglicherweise lebensgefährlichen Kaliumüberversorgung kommen“, warnt Ellinger. Die Betroffenen können viele Obst- und Gemüsesorten nicht essen, weil diese zu kaliumreich seien. Manchmal könne man tricksen, zum Beispiel bei Kartoffeln. Werden diese über Nacht in Wasser gelegt, geben sie einen Großteil ihres Kaliums in die Flüssigkeit ab.

Kaliummangel ist nicht die einzige Entdeckung zu Arteriosklerose in jüngerer Vergangenheit, die Forscher wie Ralf Kinscherf überraschen. Bislang dachte die Fachwelt, dass die in arteriosklerotische Plaques eingelagerten Lipide, in diesem Fall speziell Fette, die Folge einer fetthaltigen, cholesterinreichen Ernährung sind. Nun zeigen die im „Journal of Lipid Research“ veröffentlichten Resultate von Forschern der University of Connecticut, dass das nur für einen Teil der Fette gilt. Ein anderer stammt von einer bestimmten Bakterienfamilie, den Bacteroides. Sie produzieren Fettsäuren mit verzweigten Ketten und ungerader Zahl an Kohlenstoffatomen.

Wie hängen die Bakterien mit der Plaque-Bildung zusammen?

Wie hängen sie mit der Plaque-Bildung zusammen? Immunzellen an den Blutgefäßwänden fischen die bakteriellen Lipide aus dem Blut heraus, erkennen sie als fremd und interpretieren das fälschlicherweise als Invasion von Bakterien. Das versetzt sie in Alarm. Enzyme zerlegen daraufhin die Fette in Bausteine, die für entzündungsfördernde Moleküle benötigt werden. Die bereits lokal am Blutgefäß schwelende Entzündung wird so noch angeheizt.

Die Bakterien selbst residieren derweil im Magen-Darm-Trakt und in der Mundhöhle. „Über einen möglichen bakteriellen Zusammenhang zwischen einer Entzündung des Zahnhalteapparats und Arteriosklerose wird seit einigen Jahren spekuliert“, weiß Kinscherf. „Aber die Erkenntnis, dass Bakterien jetzt auch Fettsäuren produzieren sollen, die eine Arteriosklerose fördern, das ist wahrlich neu.“ Die Forscher planen im Rahmen einer weiteren Studie sicherzustellen, dass die bakteriellen Lipide wirklich aus Plaques stammen.

Bakterien könnten zur Verkalkung beitragen

Wie es insgesamt zu Arteriosklerose kommt, ist noch nicht ganz geklärt. Laut Kinscherf wird derzeit folgende stark vereinfachte Erklärung favorisiert: Verbindungen aus Lipiden und Proteinen (Lipoproteine, LDL), die durch bestimmte Enzyme oder oxidativ verändert wurden, gelangen aus dem Blut in die Blutgefäßwand. Sie werden im weiteren Verlauf von Fresszellen des Immunsystems (Makrophagen) und glatten Muskelzellen in viel zu großer Menge aufgenommen. Deshalb bilden sich sogenannte Schaumzellen, bestehend aus fettbeladenen Fresszellen und glatten Muskelzellen.

Diese Schaumzellen verursachen dann eine Entzündungsreaktion in der arteriosklerotischen Gefäßwand. Das Gewebe baut sich allmählich um, bei einem Kaliummangel zusätzlich begünstigt durch die Verkalkung der Muskelzellen. Über abgestorbenen Schaumzellen bildet sich ein „Deckel“ aus glatten Muskelzellen und Bindegewebe – fertig ist die arteriosklerotische Plaque. Bricht eine Plaque auf, bildet sich daran ein Blutgerinnsel (Thrombus), das den Durchmesser des Blutgefäßes (Lumen) weiter verkleinert oder das Blutgefäß sogar komplett verschließen kann. Ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder eine Lungenembolie können die Folge sein.

Wie kommt ein Kaliummangel zustande?

Menge: Der 2016 festgelegte Referenzwert für die Kaliumzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) beträgt für Erwachsene und Schwangere 4,0 Gramm täglich; für Stillende 4,4 Gramm.

Quellen: Gute Kaliumlieferanten sind zum Beispiel Aprikosen, Bananen, Avocado, Spinat, Kartoffeln und Tomaten. Tomatenmark und Trockenobst sind – weil konzentriert – besonders kaliumreich. Wer sich vollwertig und pflanzenbetont ernährt, sollte im Normalfall keinen Kaliummangel haben, sagt die Ernährungswissenschaftlerin und Ökotrophologin Sabine Ellinger.

Mangel: Laut der DGE sind mögliche Ursachen für einen Kaliummangel unter anderem heftiges regelmäßiges Erbrechen, chronische Durchfälle, Missbrauch von Abführmitteln sowie die Überdosierung von entwässernden Medikamenten (Diuretika); weiterhin eine lang anhaltende Unterernährung (etwa bei einer Magersucht) und eine Überfunktion der Nebennieren (Conn-Syndrom).

Überversorgung: In der Regel nimmt der Mensch täglich 5 bis 6 Gramm Kalium mit der Nahrung auf. Bei intakter Nierenfunktion ist diese Menge unbedenklich. Spezielle Kaliummonopräparate können jedoch auch bei normaler Nierenfunktion zu einer Überversorgung führen, weil in kurzer Zeit sehr hohe Kaliummengen zugeführt werden. Eine Kalium-Überversorgung kann langfristig beispielsweise zu Muskelschwäche und –lähmung, Darmverschluss, Lungenversagen und Herzrhythmusstörungen führen.