Die Bundesregierung will mit Strafen und Fristen die Akzeptanz der elektronischen Versichertenkarte verbessern. Kritiker bemängeln aber neue Möglichkeiten für Geschäftemacher. Nötig sei statt dessen die Hoheit der Patienten über ihre Daten.

Berlin - Zwölf Jahre nach dem Beschluss zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte will die Regierung medizinisch sinnvolle Anwendungen erzwingen. Die Daten der Patienten sollen künftig über ein sicheres Kommunikationsnetz zwischen Ärzten, Kliniken und Apotheken ausgetauscht werden. Das Bundeskabinett verabschiedete dazu einen Gesetzentwurf. Die elektronischen Gesundheitskarte (eGK) soll als Schlüssel zum Datenaustausch dienen.

 

Das E-Health-Gesetz sieht Anreize, Strafen und Fristen vor, um die elektronische Vernetzung nach jahrelangen Verzögerungen voranzubringen. Geplant sind Sonderzahlungen und Sanktionen etwa für Ärzte sowie Zeitvorgaben für die Betreibergesellschaft Gematik. Sie wird unter anderem vom Krankenkassen-Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung getragen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte: „Viel zu lang wurde schon gestritten.“ Nun gehörte der Nutzen der eGK in den Mittelpunkt.

Ein Online-Abgleich von auf der Karte gespeicherten Daten wie Namen und Geburtsdatum mit den bei der Kasse vorliegenden Angaben soll ab Mitte 2016 binnen zwei Jahren kommen. Ab 2018 sollen Daten etwa über Vorerkrankungen, Implantate oder Allergien auf der eGK gespeichert werden können - Notfallärzte sollen diese sofort einsehen können.

Ärzte, die Arztbriefe sicher elektronisch übermitteln, sollen 2016 und 2017 eine Vergütung von 55 Cent pro Brief bekommen. Von 2018 an sollen elektronische Briefe nur noch bezahlt werden, wenn für die Übermittlung das neue Datennetz genutzt wird. Der Gesetzentwurf durchläuft nun das parlamentarische Verfahren. Die Einführung der eGK war 2003 für das Jahr 2006 beschlossen worden. Gekommen ist die eGK stufenweise ab 2011. Bis heute kann sie nicht viel mehr als die alte Versichertenkarte.

Kritik: „Turbo für Geschäftemacher“

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte das Gesetz als „Turbo für Geschäftemacher“: „Konkrete Ideen, wie Patienten die Hoheit über die sie betreffenden Gesundheitsdaten bekommen können, enthält der Gesetzentwurf keine.“ Die Linke-Expertin Kathrin Vogler sagte: „Die e-Card verschlingt Milliarden Euro und gefährdet höchst sensible Daten der Versicherten.“ Sie solle mit Zuckerbrot und Peitsche durchgedrückt werden.

Für AOK-Chef Jürgen Graalmann ist unverständlich, „dass Ärzte noch zusätzliches Geld fürs E-Mail-Lesen und -Versenden kassieren sollen - nachdem ihre Funktionäre Jahre lang auf der Bremse standen“. Der Kassen-Verband mahnte mehr Einfluss an. „Eigentlich müsste bei dem ganzen Projekt gelten: Die Kassen, und damit die Beitragszahler, sind diejenigen, die bezahlen, also sind sie auch diejenigen, die bestimmen“, sagte die Verbandschefin Doris Pfeiffer. Eine Ministeriumssprecherin entgegnete, der Kassenverband habe die Hälfte der Gematik-Anteile. Auch der Sachverstand der Ärzte sei unverzichtbar.