Bei der neuen Generation von smarten Uhren geht es einzig und allein um die Frage: Will ich sie? Oder eben nicht. Was diese neuartigen Uhren alles können, erklärt unser Autor am Beispiel der Samsung Galaxy Gear Live.

Stuttgart - Brauch ich sie? Brauch ich sie nicht? Ja, nein oder doch? Solche Fragen sind beim Thema Smartwatch ungefähr so sinnvoll, wie in einer Gänseblümchen-App mit „Sie liebt mich – Sie liebt mich nicht“ virtuelle Blütenblätter zu zupfen. Der Autor als zwischenzeitlich konsequenter Armbanduhr-Verweigerer hat sich gleich aus mehreren Gründen frühzeitig für eine solche Uhr entschieden. Zum einen war es eines der wenigen halbwegs neuen technischen Spielzeuge, die unbedingt ausprobiert sein wollten. Zum anderen schwang die leise Hoffnung mit, dass das Ding tatsächlich praktischen Nutzen haben könnte, der das Leben irgendwie erleichtert.

 

Die Wahl fiel auf die Galaxy Gear Live von Samsung mit dem neuen Android Wear als Betriebssystem. Die Uhr kam als eine der allerersten der neuen Smartwatches auf den Markt und hatte damals als einzige einen integrierten Pulsmesser, konnte also auch als Fitnessband genutzt werden. Die ersten Wochen mit dem Technikspielzeug waren zugegebenermaßen hart und von Zweifeln geprägt, das Rücksendepaket auf Abruf vorbereitet. Das Problem war der Fluch des Neugeräts: Die Software war nicht ausgereift, viele der Anwendungen waren lange nicht verfügbar.

Erst in diesen Tagen kam ein großes Update für Android Wear und Google Fit, das endlich viele der vor Monaten angekündigten Nutzungsvarianten ermöglicht. Die App-Entwickler brauchten ihre Zeit, um Android Wear und Google Fit und wie die Programme alle heißen einzubinden.

Was bringt so eine Uhr also? Die Antwort nach vier Monaten: einige Aha-Effekte. Man stelle sich ein Großraumbüro vor, in dem rund 20 engagierte Menschen versuchen, so leise wie möglich zu arbeiten, damit der Geräuschpegel auf einem halbwegs erträglichen Level bleibt. Deswegen haben fast alle ihre Smartphones auf lautlos gestellt, auch die Vibration ist abgeschaltet. Dann liegt das Mobilteil meist unbeachtet irgendwo unter Papierstapeln auf dem Schreibtisch oder bleibt gleich in der Jackentasche. Ungefähr zwei, drei Wochen nach Eintreffen der Smartwatch, also noch in der Zweifelphase, begann die Uhr am Handgelenk mitten in einer Besprechung zu vibrieren, unbemerkt von allen anderen. Ein Blick genügte: die Schule des Sohnes rief an. Die Schule? Am späten Vormittag? Den Anruf sollte man wohl schleunigst annehmen oder zumindest gleich zurückrufen. Ohne die Watch wäre der Fünftklässler an dem Tag nicht rechtzeitig abgeholt worden.

Navi für Fahrradfahrer in der Stadt

Ein anderes Beispiel: Fahrradfahren in der Großstadt ist im Trend, Pedelecfahren in Stuttgart praktisch und obendrein gesundheitsfördernd. Als Neu-Pedelecfahrer tut sich der ans Navi gewöhnte Autofahrer aber manchmal schwer, die kürzeste und möglichst autofreie Strecke durch die hügelige Stadt zu finden. Dafür genügt jetzt ein Blick aufs Handgelenk. Die Anbindung der Smartwatch an die Navigations-App im Smartphone hat von Anfang an perfekt funktioniert. Zum Starten muss man das Phone nicht einmal aus der Tasche holen, sondern nur mit der Uhr sprechen. Dann zeigt das kleine Display der Uhr während der Fahrt mit Pfeilen und Stichworten an, wann man links oder rechts abbiegen muss. So bleibt einem der eine oder andere Umweg erspart.

Für Fitnessmenschen wichtig: inzwischen funktioniert auch die Anbindung an einige Fitness-Apps wie runtastic oder endomondo. Die Programme lassen sich, während das Telefon sicher in Innentaschen verstaut ist, direkt über die Watch starten, im Fall der Samsung Galaxy Live wird dann bei einigen Apps auch die Pulsfrequenz kontinuierlich erfasst. So schick wie manche der neueren Fitnessarmbänder ist die Uhr zwar nicht, dafür kann sie aber mehr.

Auch Autofahrer ohne Freisprecheinrichtung – in Stuttgart trotz hoher Sternendichte weit verbreitet – könnten der Uhr etwas abgewinnen. In Zeiten der Kommunikation per WhatsApp oder Twitter ist es manchmal ganz praktisch, kurz und schnell antworten zu können. Ins Handy tippen beim Autofahren ist nicht nur gefährlich, sondern kann auch teuer werden. Dank der inzwischen ebenfalls erfolgten Einbindung der Watch in die Kurznachricht-Anwendungen genügt jetzt ein kurzer Blick auf die Uhr, wenn sie vibriert. Und wer schnell antworten will, kann das problemlos tun, indem er mit der Uhr spricht. Die Antwort sollte nicht die ausführliche Schilderung der jüngsten Erlebnisse am Arbeitsplatz oder des vorigen Abends sein. Aber ein „Ich bin unterwegs“ oder „Bin in zehn Minuten da“ klappt problemlos und unkompliziert.

Das Fazit nach fast einem halben Jahr mit Smartwatch: wer sein Smartphone ohnehin ständig im Anschlag hat, kann sich das Geld sparen. Wer es aber lieber öfter stecken lassen will, ist mit so einer Uhr einen Schritt weiter. Und die Momente, in denen sie richtig Spaß macht, haben mit jedem Update zugenommen. Tipp: auch diese Uhr hat wie jedes andere technische Spielzeug einen Aus-Knopf!