Der neue Vorsitzende des Beamtenbundes Baden-Württemberg, Kai Rosenberger, hat dem Ministerpräsidenten auf dem Gewerkschaftstag seine Wunschliste vorgehalten. Winfried Kretschmann setzt auf Dialog, will aber nicht alle Forderungen erfüllen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Ludwigsburg - Der Ministerpräsident wählt einen plastischen Vergleich: Eine „Eiszeit“ hätten seine Regierung und der Beamtenbund hinter sich gelassen, urteilt Winfried Kretschmann beim Gewerkschaftstag in Ludwigsburg. Die Natur brauche für so einen Klimawandel 100 000 Jahre – „da sage noch einer, dass die baden-württembergische Politik schwerfällig ist“.

 

Der Führungswechsel beim Beamtenbund von Volker Stich zu Kai Rosenberger ist Anlass für eine Standortbestimmung. Beide Seiten hoffen auf Kontinuität im respektvollen Umgang miteinander. „Notfalls streiten wir uns – das gehört zum Geschäft“, sagt Kretschmann. Doch sei der Gesprächsfaden zu Stich nie abgerissen. „Ein Ausreißer war das mit den Vuvuzelas“, erinnert der Grüne an den Höhepunkt der Beamtenproteste im März 2012, als seine Rede in der Stuttgarter Liederhalle lärmend übertönt wurde. „Auch wohlerzogene Beamte benehmen sich mal daneben.“

Traumatisiert habe ihn dies nicht. Doch habe er gelernt: „Die Menschen wollen vieles, aber nicht auf Prosperität verzichten.“ Mit Verzichtsappellen käme man da nicht weit. „Obwohl wir uns manchmal wie die Kesselflicker gestritten haben, haben wir uns doch irgendwie gemocht“, sagt er an Stich gewandt – wohl weil beide Lehrer mit ähnlicher Fächerkombination gewesen seien. „Vielleicht waren die Elternsprechtage eine gute Vorbereitung.“

„Auch wohlerzogene Beamte benehmen sich daneben“

In Ludwigsburg ist Kretschmann gar nicht nach Konfrontation zumute. Deshalb tritt er nur sanft auf die Bremse: Im Dialog mit dem Beamtenbund will er erörtern, wie sich dessen Anforderungen „wenigstens teilweise“ erfüllen lassen. Man müsse schauen, „welch dicke Brocken wir abräumen können“. Da sind zum Beispiel die Besoldungsstruktur und die Beihilfe: Laut Bundesverfassungsgericht müssen die niedrigen Gehälter im mittleren Dienst bei Neuverbeamtungen mindestens 15 Prozent über der Sozialhilfe liegen – dieses Abstandsgebot werde laut einem Gutachten seit Januar 2013 in Großstädten verletzt, rügt Kai Rosenberger.

Denn dies liege auch an den abgesenkten Beihilfesätzen. „Dieser Fehler muss sobald als möglich korrigiert werden“, fordert er. Dann hätten die betroffenen Kollegen der Justiz-, Steuer- und Kommunalverwaltung in den Besoldungsgruppen A5 bis A7 „sofort mehr Geld in der Tasche“. Bei einem Vater mit zwei Kindern könne dies bis zu 200 Euro ausmachen. Die Maßnahme war noch von der grün-roten Regierung beschlossen und Anfang 2013 in Kraft gesetzt worden. Seither müssen junge Beamte mehr in ihre private Krankenversicherung zahlen, weil der Anteil des Landes an der Krankenfürsorge für Ruheständler von 70 auf 50 Prozent reduziert wurde.

Grünen planen keine Veränderungen bei der Beihilfe

Kretschmann mag die geforderte „kleine Dienstrechtsreform“ nicht zusagen. Er verspricht eine gründliche Prüfung des Gutachtens der Speyrer Verwaltungswissenschaftlerin Gisela Färber, das der Beamtenbund jüngst vorgelegt hat, merkt aber spitz an: „Der erste Interpret der Verfassung ist der Gesetzgeber – nicht externe Gutachter, seien sie noch so angesehen“.

Dem Vernehmen nach planen die Grünen bisher auch nicht, die Verschlechterung bei der Beihilfe zu korrigieren. Kretschmann äußert dies nicht so deutlich, sondern hält dem Beamtenbund die Schuldenbremse im Jahr 2020 vor. „Wir können die Haushalte nicht mehr so auf Kante nähen“, betont er mit Verweis auf den „gigantischen Sanierungsstau“. Möglichst viel davon müsse bis 2020 noch abgebaut werden. Als „größtes Sozialproblem“ der Gesellschaft bezeichnet er zudem die hohen Mieten in den Ballungsräumen. Dieses „Systemversagen“ treffe aber nicht nur die Beamten.

„Erbitterte Debatten“ über Erste-Klasse-Fahrten

Den Wunsch, auf längeren Dienstreisen Bahnfahrten in der ersten Klasse zu erhalten, verspricht Kretschmann unbürokratisch zu lösen. „Wohl dem Land, dass über solche Themen solch erbitterte Debatten führt“, merkt er süffisant an. Er verweist auf die Vorzüge des öffentlichen Dienstes wie „hochattraktive Pensionen“ oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die in guten Zeiten aus dem Blick gerieten. Es sei wohl ein „fataler Irrtum“ anzunehmen, „dass irgendwann die Wünsche aufhören“.

Freilich hat der neue Landesbund-Chef längst erkannt, dass er am ehesten etwas erreicht, wenn sich die Beamten weiterhin als „verlässlicher und verbindlicher Verhandlungspartner“ zeigen. Ohnehin ist der Ministerpräsident nicht für alle Ärgernisse zuständig: Rosenberger attackiert auch die SPD, weil sie auf Bundesebene die Bürgerversicherung als Kombination aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung durchsetzen will. Dies würde zur Verschlechterung des Gesundheitssystems oder zu höheren Beiträgen führen, rügt er.