Bahnchef Grube muss am Donnerstag schlechte Zahlen verkünden. Damit nicht genug: Es gibt personelle Engpässe, eine unterschätzte Konkurrenz und Probleme im Ausland.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Wenn sich am heutigen Mittwoch der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB) trifft, wird Rüdiger Grube seinen Kontrolleuren einiges zu erklären haben. Einen Tag später muss der Manager auf der Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt dann auch der Öffentlichkeit das mit Abstand schlechteste Ergebnis seiner fast fünfjährigen Amtszeit präsentieren. Die Zahlen liegen weit unter den bisherigen Planungen und eine nachhaltige Besserung ist nicht in Sicht.

 

Die wichtigsten Inhalte des Geschäftsberichts sind durch Indiskretionen bereits durchgedrungen. Mit 649 Millionen Euro hat sich der DB-Gewinn mehr als halbiert, auch der Umsatz ist leicht auf rund 39 Milliarden Euro gesunken. Höhere Personalkosten, Probleme im Güterverkehr und im Auslandsgeschäft, die neue Konkurrenz durch Fernbusse sowie die Hochwasserschäden im vorigen Sommer werden im Konzern als Gründe für den drastischen Ertragseinbruch genannt.  Noch vor einem Jahr klang das ganz anders. Die DB hatte 2012 ein Rekordergebnis erzielt, Umsatz, Gewinn und Fahrgastzahlen kräftig gesteigert. Grube sah den Staatskonzern bei der Bilanzvorlage „auf dem richtigen und erfolgreichem Weg“ zum Ziel, bis 2020 der weltweit führende Mobilitätskonzern zu werden und den Umsatz auf 70 Milliarden Euro fast zu verdoppeln.

Grube will Diskussionen vermeiden, „die nur ablenken“

Das schwache Ergebnis hat auch für Grube selbst Konsequenzen: Er erhält vorerst kein höheres Festgehalt. Seit seinem Amtsantritt vor knapp fünf Jahren bekommt er pro Jahr 900 000 Euro fix, hinzu kommen Erfolgsvergütungen in Höhe von 2,7 Millionen Euro (2012) und 1,7 Millionen Euro (2013). Beim Amtsantritt war mit dem Aufsichtsrat vereinbart worden, dass das Grundgehalt aber diesem Jahr um ein Fünftel steigt. Überraschend teilte Grube nun mit, dass er auf die zum 1. Mai zugesagte Gehaltsanpassung verzichte. Die Bahn stehe vor wichtigen Weichenstellungen, die Diskussionen um die Angemessenheit seines Gehalts „lenkten nur von den eigentlichen großen Herausforderungen bei der Bahn ab“, so Grube.

Mittlerweile kommen bei der Bahn immer neue Probleme ans Licht. Zum Beispiel die zu dünne Personaldecke im Kerngeschäft, die voriges Jahr dazu führte, dass in Mainz der wichtigste Hauptbahnhof einer ganzen Region zeitweise nicht mehr angefahren werden konnte, weil Fahrdienstleiter fehlten. Seither machen die Gewerkschaften auch im Aufsichtsrat Druck, dass trotz des Kosten- und Renditedrucks mehr Mitarbeiter eingestellt werden.   Das scheint dringend nötig. Nach Informationen des ZDF-Magazins „Frontal 21“ gibt es weiterhin Personalengpässe. Bis Ende vorigen Jahres hätten sich im Schienenbereich auf den Arbeitszeitkonten fast acht Millionen Überstunden angesammelt, hinzu kämen 5,6 Millionen Stunden aus offenen Urlaubsansprüchen, berichtet das Magazin. Allein bei den Lokführern waren es danach 2,6 Millionen Überstunden, bei den Fahrdienstleitern 1,9 Millionen. Nach ZDF-Berechnungen entspricht das der Jahresarbeitsleistung von 8500 Vollzeit-Mitarbeitern. Der Konzern bestätigte die Zahlen und führt die finanziellen Belastungen im Geschäftsbericht laut „Frontal 21“ unter dem Punkt „Personalbezogene Verbindlichkeiten“ auf. Dort stehen danach 330 Millionen Euro für offene Urlaubsansprüche und 284 Millionen Euro für geleistete Überstunden, zusammen 614 Millionen Euro – eine Steigerung von fast zwölf Prozent zum Vorjahr.

Kritiker wollen das Auslandsgeschäft auf den Prüfstand stellen

Die Lokführergewerkschaft GDL kritisiert, dass sich die Personalsituation im Konzern seit dem Mainzer Debakel nicht entscheidend verbessert habe. „Die Bahn-Spitze rechnet die Lage schön“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky der Stuttgarter Zeitung. Die vielen Überstunden zeigten, dass zum Jahreswechsel umgerechnet fast 1900 Lokführer zu wenig an Bord gewesen seien. „Die Deutsche Bahn muss sich endlich auf das Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren“, fordert der Gewerkschafter. Dafür müsse vor allem der Bund als Eigentümer sorgen und die teure Expansion im Ausland überprüfen.

  Unter dem früheren Chef Hartmut Mehdorn hatte der Staatskonzern weltweit Bahn-, Bus- und Logistikfirmen aufgekauft, um sich für den Börsengang zu schmücken. Doch die Logistiktochter Schenker ist ertragsschwach, und die für mehrere Milliarden Euro unter Grube erworbene britische Busholding Arriva droht sogar zum Sorgenkind zu werden.

Am meisten Ärger hat sich Grube mit der Personalie Ronald Pofalla eingehandelt. Der ehemalige Kanzleramtsminister soll Cheflobbyist werden. Dessen nahtloser Wechsel auf einen eigenen, hoch bezahlten  Vorstandsposten stieß auf Widerstand bei den Gewerkschaften im Aufsichtsrat und löste auch öffentlich Empörung aus. Nun soll Pofalla erst einmal ab 2015 nur Abteilungsleiter werden und 2017 dann das altersbedingt  frei werdende Vorstandsressort für Recht und korrekte Unternehmensführung übernehmen.