Sonja Dohm zögert zunächst, als die ersten Interviewanfragen ins Haus kommen. Auch die 26-jährige Mediengestalterin aus Kusterdingen bei Tübingen hat im Internet ein Grundeinkommen gewonnen. „Am Anfang habe ich schon darauf geachtet, wem ich davon erzähle. Doch bisher haben sich ausnahmslos alle mit mir gefreut.“ Sonja Dohm hält ihre dreijährige Tochter Lilli auf dem Arm und erzählt von ihrem besonderen Tag. Sie hat ihn im Kalender vermerkt. Ein „komisches Gefühl“ habe sie damals schon auf dem Weg zur Arbeit beschlichen. Als sie dann von dem Gewinn hört, lässt sie das Ganze von ihrem Cousin gegenprüfen. „Ja, da steht dein Name“, versichert er. Zwölf Monate, je 1000 Euro.

 

Viel Geld für eine junge Familie. Seit Dezember darf sich Sonja Dohm am Ersten jedes Monats über den Bonus freuen. Auch sie geht es vernünftig an: Von den ersten Gutschriften hat sie Möbel für Lillis Zimmer gekauft und eine Riesterrente abgeschlossen. Mit den 10 000 Euro, die folgen, will sie ähnlich besonnen verfahren. Nach der Geburt ihrer Tochter hatte sich Sonja Dohm ein Jahr Zeit gelassen, fand danach nicht direkt zurück ins Berufsleben. Es folgte eine Reihe von Absagen, Vorschlägen für fachfremde Berufe, Sanktionierungen durch das Arbeitsamt. Über eine befristete Stelle fand sie endlich zurück in den Arbeitsalltag. Ein flächendeckendes Grundeinkommen könne viel Druck rausnehmen, findet Dohm: „Eine Lücke im Lebenslauf zu haben, kommt heute dem Scheitern gleich. Ich glaube, dass manche ihre berufliche Karriere anders angehen würden, hätten sie die Sicherheit eines Grundeinkommens im Rücken.“

Gelassener durch den Alltag gehen

Dohm geht heute gelassener durch den Alltag: „Die Summe ist nicht hoch genug, um sich ein schönes Leben zu machen. Sie gibt einem vor allem Sicherheit und setzt Kräfte frei.“ Bei der Anmeldung hatte sie noch Luftschlösser gebaut: „Mal eine Weile nichts tun, das war einer der ersten Gedanken. Aber wenn man das Geld dann hat, überwiegt die Freude, zur Arbeit zu gehen.“

Über die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wird weltweit diskutiert. Die meisten Konzepte sehen eine Zuwendung für jedermann vor. Im Gegenzug würden staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld wegfallen. Zu den in Deutschland diskutierten Modellen gehören das Solidarische Bürgergeld sowie das Ulmer Modell. Bohmeyers Projekt könnte ein Feldversuch sein, der in Erfahrung bringt, was ein solches Grundeinkommen mit Menschen macht.

Der Siegeszug der Faulheit?

Manche prophezeien den Siegeszug der Faulheit, einen Rückgang der Arbeitsmoral. Befürworter des Grundeinkommens verweisen gerne auf das Phänomen des Ehrenamts. Mehr als jeder dritte Deutsche engagiert sich in Vereinen, Verbänden, Institutionen. Dann wären da noch die Aufstocker, die für so wenig Geld arbeiten gehen, dass sie zusätzlich Leistungen des Staates in Anspruch nehmen müssen.

Der Kopf hinter der Idee des verlosten Grundeinkommens ist ein junger Mann, der Idealist genug ist, unser Gesellschaftssystem umkrempeln zu wollen, und Realist genug, das Konzept Grundeinkommen zunächst in Frage zu stellen. Michael Bohmeyer, 30, hat große Zweifel, als er sich zum ersten Mal mit dem Thema Grundeinkommen befasst. Ein gutes Konzept, das aber an der Finanzierbarkeit scheitert, denkt er. Im Internet kennt sich der Berliner Jungunternehmer bestens aus. Schon als Jugendlicher hat er diverse Programme geschrieben, er leitete auch schon einen Versandhandel für Metallschilder. Michael Bohmeyer trifft sich mit Befürwortern des Gedankens und fängt Feuer. Crowdfunding, das Geldeinholen im Kollektiv, hebt den Gedanken der Solidarität in das Internetzeitalter. Welches Projekt könnte sich darüber besser finanzieren lassen als eines, das unsere Gesellschaft neu denkt?

Interview im Frühstücksfernsehen

Im Sommer 2014 geht Bohmeyers Mein-Grundeinkommen.de online. Die „taz“ berichtet darüber, es folgt ein Interview beim Frühstücksfernsehen. Binnen 80 Tagen kommen 50 000 Euro zusammen. Bis heute haben sich mehr als 200 000 Nutzer registriert und 34 000 Spender beteiligt, 25 Grundeinkommen sind verlost worden. Auch wer nicht spendet, kann mitmachen.

Was sie im Falle eines Gewinns mit dem Geld anstellen würden, geben viele Nutzer auf ihrem Profil preis – freiwillig. Keiner ist den Spendern Rechenschaft schuldig. Wen das Los trifft, den fragt Bohmeyers Team, ob er in den Medien darüber berichten will. Manche lehnen auch ab.

Sonja Dohm hat seit Dezember einen monatlichen Bonus

Sonja Dohm zögert zunächst, als die ersten Interviewanfragen ins Haus kommen. Auch die 26-jährige Mediengestalterin aus Kusterdingen bei Tübingen hat im Internet ein Grundeinkommen gewonnen. „Am Anfang habe ich schon darauf geachtet, wem ich davon erzähle. Doch bisher haben sich ausnahmslos alle mit mir gefreut.“ Sonja Dohm hält ihre dreijährige Tochter Lilli auf dem Arm und erzählt von ihrem besonderen Tag. Sie hat ihn im Kalender vermerkt. Ein „komisches Gefühl“ habe sie damals schon auf dem Weg zur Arbeit beschlichen. Als sie dann von dem Gewinn hört, lässt sie das Ganze von ihrem Cousin gegenprüfen. „Ja, da steht dein Name“, versichert er. Zwölf Monate, je 1000 Euro.

Viel Geld für eine junge Familie. Seit Dezember darf sich Sonja Dohm am Ersten jedes Monats über den Bonus freuen. Auch sie geht es vernünftig an: Von den ersten Gutschriften hat sie Möbel für Lillis Zimmer gekauft und eine Riesterrente abgeschlossen. Mit den 10 000 Euro, die folgen, will sie ähnlich besonnen verfahren. Nach der Geburt ihrer Tochter hatte sich Sonja Dohm ein Jahr Zeit gelassen, fand danach nicht direkt zurück ins Berufsleben. Es folgte eine Reihe von Absagen, Vorschlägen für fachfremde Berufe, Sanktionierungen durch das Arbeitsamt. Über eine befristete Stelle fand sie endlich zurück in den Arbeitsalltag. Ein flächendeckendes Grundeinkommen könne viel Druck rausnehmen, findet Dohm: „Eine Lücke im Lebenslauf zu haben, kommt heute dem Scheitern gleich. Ich glaube, dass manche ihre berufliche Karriere anders angehen würden, hätten sie die Sicherheit eines Grundeinkommens im Rücken.“

Gelassener durch den Alltag gehen

Dohm geht heute gelassener durch den Alltag: „Die Summe ist nicht hoch genug, um sich ein schönes Leben zu machen. Sie gibt einem vor allem Sicherheit und setzt Kräfte frei.“ Bei der Anmeldung hatte sie noch Luftschlösser gebaut: „Mal eine Weile nichts tun, das war einer der ersten Gedanken. Aber wenn man das Geld dann hat, überwiegt die Freude, zur Arbeit zu gehen.“

Über die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wird weltweit diskutiert. Die meisten Konzepte sehen eine Zuwendung für jedermann vor. Im Gegenzug würden staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld wegfallen. Zu den in Deutschland diskutierten Modellen gehören das Solidarische Bürgergeld sowie das Ulmer Modell. Bohmeyers Projekt könnte ein Feldversuch sein, der in Erfahrung bringt, was ein solches Grundeinkommen mit Menschen macht.

Der Siegeszug der Faulheit?

Manche prophezeien den Siegeszug der Faulheit, einen Rückgang der Arbeitsmoral. Befürworter des Grundeinkommens verweisen gerne auf das Phänomen des Ehrenamts. Mehr als jeder dritte Deutsche engagiert sich in Vereinen, Verbänden, Institutionen. Dann wären da noch die Aufstocker, die für so wenig Geld arbeiten gehen, dass sie zusätzlich Leistungen des Staates in Anspruch nehmen müssen.

In Michael Bohmeyers Lotterie ist nur ein Gewinner bekannt, der seinen Beruf aufgegeben hat – um Pädagogik zu studieren. Ähnliche, von Wissenschaftlern begleitete Projekte kommen zum selben Schluss: Die Arbeitsbereitschaft beeinträchtigt der Bonusbetrag nicht, vielmehr wachse das Selbstwertgefühl. In den Niederlanden haben Forscher Menschen befragt, die eine Lebensrente beziehen und sich über je 1000 Euro mehr im Monat freuen. Ein Fazit: von 84 Befragten gaben nur zwei ihren Job auf. Kann die Entkopplung von Arbeit und Existenzsicherung also funktionieren?

Einige bekannte Namen hat Bohmeyer auf seiner Seite: Götz Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette DM und einer der reichsten Deutschen, spricht sich seit den 80er Jahren für ein Grundeinkommen aus. Er rief die Initiative „Unternimm die Zukunft“ ins Leben. Dieter Althaus, der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, veröffentlichte ein Buch zu dem Thema. Und die Piraten schrieben es sich 2010 als erste deutsche Partei auf die Fahne – wohingegen Die Linke sich das Vorhaben „unter den gegebenen Machtverhältnissen“ nicht zu eigen machen will, wenngleich es einzelne Mitglieder unterstützen. In der Schweiz führte eine Volksinitiative dazu, dass in diesem Jahr über die Einführung des Grundeinkommens abgestimmt wird. In Finnland laufen Voruntersuchungen im Auftrag der Regierung.

Ökonomen sehen die Idee kritisch

Die meisten Ökonomen stehen der Idee kritisch gegenüber, weil sie ein schlüssiges Finanzierungskonzept vermissen. Beim bedingungslosen Grundeinkommen hat man es mit einer großen Unbekannten zu tun, die sich mathematisch nicht fassen lässt. Wie es die Gesellschaft verändert, würde sich ja erst auf lange Sicht zeigen.

Sonja Dohm und Olga Zimmer sind sich einig, dass sie nun anderen den Vortritt lassen. Sie nehmen nicht mehr an den Verlosungen teil. Beide unterstützen das Projekt als „Crowdhörnchen“, so heißen die Spender.