Ein verurteiltes Bandenmitglied belastet den Fälscher der Giacometti-Skulpturen beim Prozess in Stuttgart schwer. Der Angeklagte soll auch seine Mittäter angelogen haben.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Einer der ehemals führenden Köpfe der Kunstfälscherbande, die sich auf den Handel mit Giacometti-Plagiaten spezialisiert hat, belastet den Macher der Imitate schwer. „Er hat nie zugegeben, dass er die Skulpturen selbst gießt, sondern behauptet, dass sie von einem Sammler aus England stammen würden“, sagte ein Mainzer Kunsthändler am Montag am Stuttgarter Landgericht im Prozess gegen den Niederländer Robert D. als Zeuge aus. Der 66-Jährige selbst war bereits im Jahr 2011 wegen seiner Beteiligung an der Betrugsserie nach einem späten Geständnis zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt worden. Der ehemalige Kunsthändler ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Nach eigenen Angaben lebt er nun in Portugal und arbeitet in der Musikbranche.

 

Seit voriger Woche muss sich nun Robert D. am Landgericht wegen bandenmäßigen Betrugs verantworten. Der 56 Jahre alte Niederländer soll mehr als 1000 Werke des Schweizer Künstlers Alberto Giacometti (1901-1966) gefälscht haben. Nach zehn Jahren in Thailand war Robert D. im Sommer 2014 am Flughafen in Amsterdam festgenommen worden. Er gilt als einer der Köpfe der größten Kunstfälscherskandale der vergangenen Jahre in Deutschland. Dabei soll Händlern und Sammlern ein Gesamtschaden von fast acht Millionen Euro entstanden sein.

Am Vertrieb will der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sein

Bereits am ersten Prozesstag hatte Robert D. ein Geständnis abgelegt. Ihm sei bewusst gewesen, dass seine Skulpturen auf dem Kunstmarkt als Originale ausgegeben wurden. Am Vertrieb der Plagiate sei er aber nicht beteiligt gewesen, so der Niederländer, der keine „Reichtümer“ angehäuft haben will. Im Gegenteil: Inzwischen sei er mittellos. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Robert D. für seine Arbeiten Überweisungen in Höhe von 420 000 Euro, weiteres Geld in bar sowie zahlreiche Wertgegenstände erhalten hat.

Der Zeuge sagte nun aus, dass er Robert D. pro Exemplar meist etwa 1000 Euro bezahlt habe. Der Bildhauer habe behauptet, dass sie aus einem bisher unbekannten Fundus eines Lords in England stammten. Ein Bekannter, der den Spitznamen Blumenmann trug, habe die Skulpturen nach Holland gebracht. „Mit einer Fuhre Blumen soll er übergesetzt haben und mit den Plastiken zurückgekommen sein“, so der Zeuge. Übergeben bekommen habe er die „Giacomettis“, die Robert D. in Holland in etwa einer halben Stunde formte, auf einer Autobahnraststätte auf halbem Wege zwischen den Niederlanden und Mainz. Im Lager des Zeugen waren später mehr als 1000 Plagiate entdeckt worden.

Nebem dem falschen Lord gab es auch einen „Reichsgraf“

Er habe gewusst, dass viele Arbeiten „gefälscht“ gewesen seien, so der Zeuge. „Da war viel Schrott dabei.“ Er habe aber das Gefühl gehabt, dass einmal ein echter Giacometti dabei sein könnte. „Ich habe daher alles aufgekauft, damit kein anderer mir ins Geschäft pfuscht“, sagte der 66-Jährige. Dabei gestärkt worden sei er von einem „Reichsgrafen“. Dieser habe die Legende geboren, wonach die Skulpturen von Giacomettis Bruder Diego gerettet worden seien, weil der Künstler unzufrieden mit den Arbeiten gewesen sei und sie habe zerstören wollen. Das Ammenmärchen wurde später in einem Buch veröffentlicht, bei dem sogar die ISBN-Nummer gefälscht war. „Die Geschichte stammt vom ,Reichsgrafen’. Ich habe ihm nur geholfen, sie ins Reine zu schreiben“, sagte der Zeuge.

Der vermeintliche Graf, der in Wahrheit in der früheren DDR Lokheizer gewesen ist, soll im Verlauf des Prozesses ebenfalls als Zeuge aussagen. Er besteht offenbar bis heute auf die Diego-Version. Er hatte mehr als neun Jahre Haft erhalten.