Er ist das Wunderkind der schnellen Finger, er spielt den Gypsy-Jazz perfekt und temperamentvoll. Am Freitagabend spielte der Stuttgarter Gitarrist Gismo Graf bei den Wagenhallen – und plauderte über seine Kunst und ihre Zukunft.

Stuttgart - Nicht lange, bevor er auf die kleine Bühne im Biergarten der Wagenhallen tritt und zu seiner Gitarre greift, einer halbakustischen Sonderanfertigung des französischen Gitarrenbauers Rémi Petiteau, erinnert Gismo Graf sich daran: Hier stand er zum ersten Mal vor einem Publikum. 2005 oder 2006 war das, zwölf oder 13 Jahre alt war er erst alt. Sein Vater, Joschi Graf, spielte mit dem Zigeli-Winter-Quartett und holte, für wenige Stücke nur, den Sohn auf die Bühne: „Die Leute flippten aus!“, sagt er im Rückblick.

 

Heute ist Gismo Graf 23 Jahre alt. Seit 2010 hat er mit seinem Trio drei Alben veröffentlicht. Joschi Graf gehört zur Band; den Bass spielt, mit schnellem, flirrend perkussiven Ton, Joel Locher. Ein zweites Projekt, noch namenlos, hat längst begonnen: Seit einem Jahr tritt Cheyenne Graf, die Schwester des Gitarristen, immer wieder mit dem Trio auf. Eine Band mit eigenem Repertoire soll entstehen, weit eher auf Pop zugeschnitten als jenes des Trios. Gismo Graf wird dort elektrische Gitarre spielen.

Mit seinem Trio jedoch orientiert er sich weiterhin unbedingt an seinem einen großen Vorbild, an Django Reinhardt, der den Gypsy Jazz in den 1930er Jahren berühmt machte. Gismo Graf bricht diesen Stil immer wieder auf, holt ganz bewusst Einflüsse späterer Dekaden ein, erlaubt sich, wie Reinhardt auch, Ausflüge in den Bebop. Er adaptiert Stücke von Stevie Wonder und stilistische Eigenheiten von Gitarristen wie George Benson und Wes Montgomery. Seine Ausrichtung auf Reinhardt bleibt dabei jedoch immer unverkennbar.

Graf wollte nicht an die Musikhochschule – sondern einfach nur spielen.

Ändern möchte er das nicht. Der Gypsy-Jazz mit seiner deutlich ausgeprägten Stilistik war es, der dem jungen Gitarristen die Möglichkeit gab, zu wachsen. Die Grenzen des Genres boten ihm den Rahmen, in dem er sein temperamentvolles, ungeheuer schnelles, wendiges Spiel bis zur Saitenhexerei perfektionieren konnte. Er hat sich für den Gypsy-Jazz entschieden, mit verblüffender Konsequenz.

Gismo Graf hat der Gitarre sein Leben anvertraut. „Anfangs habe ich das ja nur als Hobby betrieben“, sagt er. „Ich bin an den Wochenenden bei meinem Vater eingestiegen. Das war immer etwas Großes für mich. Und dann habe ich in der neunten Klasse die Realschule abgebrochen, um professionell zu spielen.“ Der Gitarrist Werner Acker, Dozent an der Stuttgarter Musikhochschule, bot dem Jungen ohne Abitur einen Studienplatz an. Gismo Graf lehnte das Angebot ab. Joschi Graf erinnert sich: „Werner Acker sagte zu Gismo: ‚Du wirst erst einmal vergessen müssen, was du kannst und über Django weißt. Du wirst von vorne beginnen müssen.’ Als wir aus der Musikhochschule kamen, sah Gismo mich an und begann zu weinen. ‚Bitte tu mir das nicht an!’, sagte er. ‚Bitte lass mich weiter spielen!’“

In manchen Momenten geht er heute schon über den Gypsy Swing hinaus

Der Vater überließ die Entscheidung ganz seinem Sohn. „Ich habe Gismo die ersten Akkorde beigebracht“, sagt er. „Heute bringt er mir etwas bei.“ Ackers Angebot besteht noch immer, und in einigen Jahren wird sich Gismo Graf vielleicht doch für ein Studium entscheiden, die Grenzen seiner musikalischen Heimat überschreiten. Noch ist er jung und will aufgehen in dem Stil, an dem sein Herz ganz hängt. „Im Moment“, sagt Joschi Graf, „haben wir nicht das Verlangen, uns von Django Reinhardt zu entfernen. Wir sind damit aufgewachsen. Wir leben diese Musik.“

Gismo Graf hat selbst bislang mehr als 20 Stücke im Gypsy-Stil komponiert und spielt bei jedem seiner Konzerte einige davon. In den Wagenhallen geht er ohne eine feste Setlist auf die Bühne, passt sich der Stimmung eines Publikums an, das kaum aus Jazz-Puristen besteht.

Natürlich spielt Gismo Graf Django Reinhardt. Er spielt auch Stevie Wonder. Und „Breezin’“ von George Benson schließlich kommt nicht nur mit der Frische von der Bühne, die man sich an diesem heißen Abend dringend wünscht – es lässt den Gypsy-Jazz schon fast ganz hinter sich.