War Olaf Glaeseker bestechlich oder handelte er im Interesse des Landes? Der frühere Sprecher von Christian Wulff, damals niedersächsischer Ministerpräsident, muss sich seit Montag wegen Korruption vor Gericht verantworten.

Hannover - Wer ist dieser Mann, der über viele Jahre ganz dicht an der Seite von Christian Wulff gearbeitet hat? War er jemand, der mit Tricks und Kniffen immer für sich das Beste herausholen wollte – und folglich anfällig war für Korruption? Olaf Glaeseker (52), ehemaliger niedersächsischer Regierungssprecher, weist diesen Vorwurf weit von sich. Nein, er sei nicht bestechlich gewesen. Er habe sich nicht für drei Prominententreffen namens „Nord-Süd-Dialog“ engagiert, um hinterher beim Veranstalter kostenlos die Ferien verbringen zu können. Er habe es vielmehr getan, weil diese Treffen „im Landesinteresse waren“, im Interesse der Stadt Hannover und im Interesse seines Chefs, Ministerpräsident Wulff.

 

Vor fast zwei Jahren hat Wulff, zum Bundespräsidenten aufgestiegen, ihn als seinen Sprecher entlassen. Seither hat Glaeseker zu allen Fragen geschwiegen. Am Montag, zum Auftakt des Prozesses gegen ihn, redete er vor dem Gericht eine Dreiviertelstunde lang – und es war ein teilweise ergreifender Vortrag. Er sprach über seinen Lebensweg, frühe berufliche Pläne, persönliche Schicksalsschläge und die enge Freundschaft zum ebenfalls angeklagten Eventmanager Manfred Schmidt (64). Zwischen beiden hatte sich im Laufe vieler Jahre fast eine Vater-Sohn-Beziehung entwickelt. Schmidt, der eine Erklärung durch seinen Anwalt vorlesen lässt, bestätigt dies.

Wie war das zwischen den beiden kahlköpfigen Männern? Die Staatsanwaltschaft verkürzt die Beziehung nüchtern auf Bestechung und Bestechlichkeit: Schmidt hatte an den drei Nord-Süd-Dialogen verdient, die Rede ist von einer hohen fünfstelligen Summe. Glaeseker tat als Regierungssprecher alles, damit möglichst viele Sponsoren ihren Beitrag dazu leisteten. Anschließend hätten sich Glaeseker und seine Frau von Schmidt in dessen Häuser in Spanien und Südfrankreich einladen lassen.

Glaeseker war Manfred Schmidts engster Freund

Die beiden Angeklagten zeichnen – übereinstimmend – ein völlig anderes Bild: Seit Anfang der neunziger Jahre würden sie sich kennen, die Freundschaft sei sehr eng. Gegenseitige Einladungen seien üblich, denn unter Freunden verbringe man gern Zeit miteinander. „Ich wäre auch dann zu Manfred Schmidt gereist, wenn es die Nord-Süd-Dialoge nicht gegeben hätte“, betont Glaeseker. Und Schmidt lässt über seinen Anwalt sagen: „Die Zahl der Menschen, denen ich emotional eng verbunden bin, ist begrenzt.“ Sein Adoptivsohn zähle dazu, und die beiden Glaesekers seien seine „engsten Freunde“. Später fällt noch der Begriff der „väterlichen Freundschaft“. Schmidt gilt als introvertiert, kann aufbrausend sein und launig. „Er ist ein schwieriger Mensch“, sagt Glaeseker. Er, Glaeseker, gilt als ausgleichend und ruhender Pol, den so schnell nichts aus der Bahn werfen kann. Beide ergänzen sich gut.

Als Schmidt noch keine 20 war, erkrankt die Mutter an multipler Sklerose. Der Vater ist damit überfordert und nimmt sich 1970 das Leben, wenig später tötet sich auch die Mutter. Seit dieser Zeit, heißt es in seiner Erklärung, sei bei ihm die Angst vor dem Verlust nahestehender Menschen stark ausgeprägt. Nur zu wenigen habe er noch Vertrauen. Schmidt wird erst Sozialarbeiter, dann freier Journalist, schließlich Eventmanager. Über diese Arbeit lernt er Glaeseker kennen, der als Journalist in Bonn arbeitet – und sich auf das gute Zuhören versteht. „Nähe herstellen“ sei eine wichtige Aufgabe für ihn als Journalist, erläutert Glaeseker. Zu Schmidt entwickelt er diese Nähe, dauerhaft. Als Glaesekers Vater 1994 stirbt, ist Schmidt als Freund zur Stelle – mit Trost und väterlichen Ratschlägen.

Glaeseker schildert ausführlich, dass er gar nicht auf die Idee kam, seine Beziehung zu Schmidt könne vom Hauch der Bestechlichkeit belastet sein. Ja, sagt er, aus heutiger Sicht hätte er seine enge Freundschaft zu Schmidt schriftlich festhalten müssen, als zwischen dem Eventmanager und dem Land Niedersachsen ein geschäftliches Verhältnis entstand. Aber dass Glaeseker dies nicht tat, hat nun wieder mit seiner Haltung zu tun, seinem beruflichen Anspruch, den er vor Gericht durchaus glaubwürdig beschreibt: Sich mit Aktenvermerken abzusichern oder nach Zuständigkeiten zu fragen zählte nun mal nicht zu seinen Eigenschaften. Das Ergebnis sei ihm wichtig gewesen, nicht der Weg dorthin.

„Ich habe mich immer als Dienstleister verstanden“

„Ich bin auch als Regierungssprecher Journalist geblieben“, sagt er – und meint damit eine besondere „Charakterfrage“: Er habe sich immer als Dienstleister verstanden, sei sieben Tage die Woche rund um die Uhr für seinen Chef Christian Wulff ansprechbar gewesen in einem „Job ohne Dienstschluss“. Er habe Kontakte knüpfen, Medien informieren und Sprachregelungen entwerfen müssen – im journalistischen Geschäft, das immer hektischer geworden war. Selbst sei er dabei stets im Hintergrund geblieben, denn es habe gegolten, seinen Chef öffentlich gut aussehen zu lassen.

Im ersten Leben war Glaeseker, einst Niedersachsenmeister im Weitsprung, Leistungssportler. Er wollte Hochschullehrer werden. Im zweiten Leben war er Journalist, und im dritten Leben – als Wulff-Sprecher – ist er dies geblieben. Das vierte Leben ist das des Angeklagten, der auf sein Urteil wartet und dessen berufliche Zukunft unsicher ist.

Am Freitag geht der Prozess weiter.