Auch das Körperinnere soll dem Netzdatenstrom zugeführt werden – dafür gibt es nun ein Gadget. Damit wird eine kurze Auswertung des Herzschlags getwittert.

Stuttgart - Es ist schon eine Weile her, als ich mal einen Spielsalon betrat, in dem außer der Aufsicht nur ein einsamer Spieler vor einem der Automaten stand und sich daran abarbeitete. Ab und zu sagte der Automat "You're alive!" Ich fand das bemerkenswert. Ein Mensch steht vor einer Maschine, die ihn darauf aufmerksam macht, dass er am Leben ist. Viele erwarten von Maschinen ja eher das Gegenteil - Ablenkung von der distanzlosen Nähe zur Wirklichkeit, unterhaltsamen Eskapismus.

 

Nun gibt es ein Update dieser Idee fürs Twitter-Zeitalter. Ob als Ego-Verstärker für Nerds, Marketingmenschen und andere Leute, die sich gern mit technischer Hilfe langweilen oder als Hilfsmittel iranischer Demonstranten - der Microblogging-Dienst hat bereits verschiedentlich seine Stärken gezeigt. Nun kann man mit Hilfe von Twitter auch seine Verwandten und Freunde, sowohl echte als auch Facebook-Freunde, aktuell darüber informieren, dass man am Leben ist. Die Akiduki Pulse Box aus Japan schickt Tweets des Herzschlags einer Person ins Netz. Freunde (die hoffen, dass er weitergeht), Feinde (die hoffen, dass er aufhört) und Familie (mal so, mal so), alle können sie künftig den regulären Fortgang dieses wichtigen persönlichen Rhythmus mitverfolgen, ausgebreitet auf der digitalen Weltbühne. Ist doch toll, oder?

"Das nenne ich eine Revolution!"

Gadgets werden immer körpernäher, und mit der Pulse Box landet die Sinnlichkeit wieder im Ernst des Lebens: "Jetzt kann ich sterben und diese Information twittern", heißt es begeistert in dem Promotion-Video zu dem nützlichen Kästchen - "Das nenne ich eine Revolution!" Die Tweets enthalten eine kurze Auswertung des Herzschlags (verlangsamt/normal/beschleunigt). Angeblich gibt es noch einen vierten Modus, zu dem aber keine Einzelheiten bekanntgegeben werden (Exitus?).

Das Puls-Postinggerät erinnert an den Wii Vitality Sensor, eine Art digitaler Fingerhut, über den laut Nintendo der Puls sowie eine Reihe weiterer Körpersignale ausgelesen und dem Nutzer "Informationen über die körperliche Innenwelt vermittelt" werden sollen. Angekündigt auf der Electronic Entertainment Expo 2009 und nicht wirklich vermisst 2010, ist das Kuriosum nach wie vor nicht materialisiert. Stattdessen brachte die Spieleschmiede Ubisoft einen eigenen Pulssensor auf den Markt.

Zu der Akiduki Pulse Box soll es demnächst auch Seminare für Hardware-Hersteller geben - das Akiduki-System ist erfreulicherweise Open Source - Firmware, Hardware-Info, alles. Der Haken: zum Betrieb des Körperrhythmusmessers benötigt man ein EKG-Gerät, Kostenpunkt zwischen 650 und 4000 Euro. Aber für Zeitgenossen, die ganz vorne mit dabei sein wollen, wenn auch das Körperinnere dem Großen Netzdatenstrom zugeführt wird, sollte Geld nur eine untergeordnete Rolle spielen. Hauptsache du lebst. Und alle wissen es.

E-Mail an den Autor: p.glaser@stz.zgs.de

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