Facebook-Chef Mark Zuckerberg will noch mehr Menschen bekehren. Jetzt war er sogar beim Papst. Tatsächlich blicken manche Kirchenvertreter mit einer Spur Neid auf den Erfolg des sozialen Netzwerks.

Stuttgart - Etwas weniger als zwei Milliarden Menschen weltweit sind Christen, etwas mehr als eine Milliarde sind bei Facebook. Jesus hat 2000 Jahre für diese Reichweite gebraucht, Mark Zuckerberg zwölf Jahre. Nun war der Facebook-Gründer in Begleitung seiner Frau Priscilla Chan zu einer Privataudienz bei Papst Franziskus. Als Gastgeschenk hatte er, der ausnahmsweise anstelle von Jeans und grauem T-Shirt einen Anzug trug, ein Modell einer Drohne namens Aquila – italienisch für Adler – dabei. Der solarbetriebene Flugkörper soll auch in abgelegenen Gegenden einen Internetzugang ermöglichen. Eine moderne Missionarsmaschine also. Zuckerberg will auch die restlichen 6,4 Milliarden Menschen in sein taubenblaues Imperium holen. Die digitale Technologie hat sich zur Religion entwickelt. Der gesellschaftliche Wandel hat eine tiefgreifende Änderung der Werte verursacht. Wie ein Hausaltar steht der Computer nun auf den Schreibtischen der Welt. Im Januar 2011 erklärte der damalige Papst Benedikt XVI. soziale Netze wie Facebook zu Orten, die Christen „großartige Möglichkeiten des Verbindens“ geben.

 

Zuckerberg hat eine Vision

Zuckerberg hat eine Vision, wohin er mit seiner weltweiten Kontaktkirche will. Ähnlich wie vor 7000 Jahren an den Ufern des Nils und von Euphrat und Tigris erste Zivilisationen entstanden sind, lässt sich die Social-Media-Völkerschaft nun am Ufer eines großen Flusses nieder, des Livestreams. Wir leben unser Leben allerdings in zunehmendem Maß durch ein privatwirtschaftlich betriebenes Netzwerk, das seinen Besitzer bereits zum Multimilliardär gemacht hat – und zum moralischen Maßstab für das, was wir lesen, welche Bilder wir sehen sollen und welche nicht.

Facebook ist das Grundmuster eines neuen sozialen Gewebes der Welt. Wir können nun eine Riesen-WG in der Jackentasche stets verfügbar mit uns führen. „Das Facebook-Zeitalter hat begonnen, und Mark Zuckerberg ist der Mann, der uns dahin gebracht hat“, schrieb das Magazin „Time“ 2010, als Zuckerberg zum „Mann des Jahres“ ausgerufen wurde. In dem Leitartikel wird einer der wenigen Konferenzräume im damaligen Facebook-Hauptquartier im kalifornischen Palo Alto beschrieben – mitten in einem Großraumbüro, von drei Seiten durch gläserne Wände einsehbar.

Radikale Offenheit

Es ist eine radikale Offenheit, wie es sie zuvor nur in den Beichtstühlen des Katholizismus gab, die nun, so der Wille des nichtreligiösen Religionsgründers Mark Zuckerberg, über Facebook-Voreinstellungen auch nach außen getragen und schlicht zur gängigen Kommunikationsform werden soll. Bereits im Januar 2010 hatte Zuckerberg das Ende der Privatsphäre verkündet: Das sei Schnee von gestern. In der neuen Facebook-Zentrale ist dieses Beicht-Design bereits Teil der Architektur. Es gibt fast keine Wände und keine Büros mehr, nur eine offene Prärie aus Büromöbeln. Auch Zuckerberg selbst hat kein eigenes Büro.

Interessanterweise sind es viele Kleriker, für die Facebook das modernisierte Modell einer Kirche darzustellen scheint. „Wenn Mark Zuckerberg Facebook zu seinem eigenen Ruhm erschaffen kann, was können wir als Kirche erschaffen zur höheren Ehre Gottes?“, fragt Steven Furtick, Hauptpastor der Elevation Church in New Jersey, angesichts des furiosen Aufstiegs von Facebook. Dabei schwingt auch etwas Neid mit: „Den Turmbau zu Babel haben die Menschen zu ihrem eigenen Ruhm begonnen. Zuckerberg macht sich einen Namen. Aber der Turm wurde nicht vollendet, und die Namen derer, die ihn gebaut haben, sind vergessen.“