Mit Vollgas auf dem Datenhighway: das Internet als fahrbare Welterklärung.

Stuttgart - Vor noch nicht ganz einem Vierteljahrhundert erschien das Internet als ein kommunikativer Urknall in der Öffentlichkeit und änderte alles. In der stillen Welt der Netzwerkspezialisten hatte man seit dem Jahr 1969 daran gearbeitet. In den neunziger Jahren versuchten wir sodann zu verstehen, was es auf sich hat mit all den vernetzten Computern. Es war bemerkenswert, wie manche diese Dinge zu erklären versuchten, die nun die Welt in eine digitale Welt zu verwandeln begannen: Sie benutzten dazu das Auto.

 

Was sich da bewegte, nannten sie „Traffic“, Verkehr. Der damalige US-Vizepräsident Al Gore bezeichnete Internetverbindungen als „Informations-Superhighways“. In der Familie von Mister Gore hatte die Superhighway-Metapher gewissermaßen Familientradition. In den frühen fünfziger Jahren war Al Gores Vater, Senator Albert Gore senior, maßgeblich an der Schaffung des US-amerikanischen Interstate-Highway-Systems beteiligt gewesen.

Automotive Ansichten haben unser Bild der digitalen Welt geformt

Dann begannen die Menschen sich im Cyberspace anzusiedeln und diesen neuen Ort als Stadt zu beschreiben. Eine urbane Matrix, durch die die Lichter des Datenverkehrs fließen. In einem unbekannten Areal braucht man Orientierung. Automotive Ansichten haben unser Bild der digitalen Welt geformt, und diese neue Sphäre umgibt mehr und mehr die physische Welt. Am Ende wird das Internet zu einer neuen Umweltbedingung geworden sein. Es wird sich in eine Sofortmaschine verwandeln. In das, was früher Magie meinte: Alle Bedürfnisse werden augenblicklich befriedigt, Wunsch und Wunscherfüllung geschehen gleichzeitig.

Tatsächlich haben wir es längst nicht mehr nur mit einer Umwandlung der analogen Welt in eine digitale zu tun. Das, was sich in den letzten Jahren im Datenraum, im Online-Universum, in der Matrix angesammelt und ausgeformt hat, erweitert seinen Machtbereich zunehmend hinaus in die analoge Welt. „Es ist noch nicht lange her, dass der Cyberspace ein spezifischer Ort war, den wir regelmäßig besuchten und in den wir von der bekannten physischen Welt aus hineingelugt haben“, schreibt der US-amerikanischer Science-Fiction-Autor William Gibson, dem wir den Begriff Cyberspace verdanken. „Jetzt hat sich der Cyberspace umgestülpt. Das Innere hat sich nach außen gewendet. Es hat die physische Welt kolonialisiert.“

In der chinesischen Stadt Chongqing ist eine Bürgersteigseite für Menschen mit Smartphone reserviert

In den kommenden Jahren werden sich zunehmend Sensoren und Aktuatoren um uns bewegen wie Sauerstoffmoleküle. Für vernetzte Autos der neuesten Generation oder fahrerlose Fahrzeuge wird derzeit eine massive neue Netz-Infrastruktur aufgebaut, die so etwas wie die DNA der Städte von morgen ist. Um Unfälle zu verhindern, muss dieses Netz völlig verzögerungsfrei und sicher funktionieren. Jeder Aussetzer kann zu einem Unfall führen. Die Autos vor, hinter und neben einem sind dann zugleich die eigenen Sensoren und sehen schon um die Ecke, auf die man erst zufährt. Dieses neue Netz eröffnet nicht nur Autofahrern neue Möglichkeiten.

Und wir sehen schon jetzt wieder Menschen, die wie Autos sein möchten. In der chinesischen Stadt Chongqing wurde der Bürgersteig der Foreigner Street (sic!) durch eine weiße Linie zweigeteilt: ein Streifen für normale Menschen, die mit normaler Geschwindigkeit gehen, und einer für Cyborgs – Menschen, die darauf bestehen, beim Gehen ihr Smartphone zu benutzen. Die Spurtrennung soll dabei helfen, die gewöhnlichen Geher vor den Smartphone-Schleichern zu schützen und Kollisionen zu verhindern, die von Smartphone-Nutzern verursacht werden, die ihre Orientierungslosigkeit genießen.