Für die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, die Stefan Mappus beim EnBW-Deal juristisch begleitet, wird das Mandat zusehends zur Katastrophe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Eigenwerbung der Anwälte von Gleiss Lutz ( "Exzellenz hat einen Namen") wirkt derzeit unfreiwillig komisch. "Wir bürgen für herausragende Beratungsqualität und kreative Lösungen als Grundlage für wirtschaftlich erfolgreiche Lösungen", lobt sich die Großkanzlei auf ihrer Internetseite. Mindestens zwei der drei Versprechen hat sie als juristischer Begleiter beim EnBW-Deal des Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) indes so gar nicht eingelöst.

 

An der Beratungsqualität bestehen nicht erst massive Zweifel, seit der Staatsgerichtshof die Ausschaltung des Landtags als glatten Verfassungsbruch verurteilt hat. Juristen von Gleiss Lutz hatten den Weg über eine Notbewilligungsklausel für Katastrophen gewiesen, was damals wohl als kreative Lösung erschien. Wirtschaftlich war der Fünf-Milliarden-Deal aus heutiger Sicht alles andere als erfolgreich: bis zu einer Milliarde Euro hat das EnBW-Aktienpaket schon an Wert verloren.

Es droht noch erheblich mehr Ärger

Für die eigentlich angesehene Kanzlei wird das (gewiss lukrative) Mandat inzwischen selbst zusehends zur Katastrophe. Ihr Ruf ist schon jetzt schwer lädiert, aus den Schlagzeilen dürfte sie so schnell nicht herauskommen, und es droht noch erheblich mehr Ärger - womöglich bis hin zu immensen Schadenersatzforderungen. Führende Vertreter der abgewählten CDU-FDP-Regierung schieben Gleiss Lutz die Schuld dafür zu, dass sie - gestützt auf die falsche Beratung - angeblich arglos die Verfassung brachen. Gleich zweimal erwähnte Landtagspräsident Willi Stächele (CDU) in seiner Rücktrittserklärung den Namen des "renommierten Rechtsanwaltbüros": Er habe sich als Finanzminister auf dessen Einschätzung verlassen, dass er die Milliarden für den EnBW-Deal "ohne Zweifel" im Alleingang frei geben dürfe. Auch Ex-Staatsminister Helmut Rau (CDU) sprach seinen Parteifreund kürzlich in Südbaden von jeder Schuld frei, weil der auf profunden Rechtsrat habe vertrauen können.

Inwieweit Gleiss Lutz die verfassungsrechtliche Problematik erfasst und womöglich, wie geraunt wird, sogar davor gewarnt hat, ist derzeit schwer zu beurteilen; die Kanzlei äußert sich nicht. Im Mittelpunkt des Mandats, um das sich ein Team von zehn Anwälten unter Leitung von Martin Schockenhoff kümmerte, dürften andere Aspekte gestanden haben. Der Bruder des Ravensburger CDU-Bundestagsabgeordneten gilt eher als Experte für Vertragsrecht. Schockenhoff freilich referierte in den Fraktionen und im Kabinett - und blamierte sich kräftig: Selbst auf bohrende Nachfragen von Abgeordneten behauptete er, der Landtag werde gar nicht benötigt. Erst die Experten aus der - ebenfalls weitgehend ausgeschalteten - Ministerialbürokratie bemerkten zwei Tage nach dem Deal, dass das Parlament sehr wohl eine Milliardengarantie geben musste. Was Wunder, dass sich die alte Regierung vor dem Staatsgerichtshof nicht von Gleiss-Lutz-Leuten, sondern lieber von dem Anwalt Klaus-Peter Dolde vertreten ließ.

Auch Rupert Scholz ist blamiert

Schwer blamiert ist auch der Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU), der das nachgeschobene schriftliche Gutachten zur Umgehung des Landtags verfasst hatte; dabei war er ursprünglich gar nicht im Anwaltsteam. Als die Lage für die Regierung Mappus im Februar besonders brenzlig wurde, gab er sogar ein Interview in der FAZ. Natürlich werde die Verfassungsklage von SPD und Grünen scheitern, prophezeite er vollmundig. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Notklausel seien "sehr klar gegeben" gewesen, es habe ein "Staatsinteresse höchster Relevanz" bestanden. Dass seine Expertise bei einer Fünf-Milliarden-Transaktion nur fünf Seiten umfasste, fand Scholz ganz logisch: "Wenn man klare Erkenntnisse hat, ... kann man sich auch kurz fassen." Dass der Staatsgerichtshof genauso klar das Gegenteil als Recht erkannte, möchte der Verfassungsrechtler nicht mehr kommentieren. Nach seinem Auftritt schützte Gleiss Lutz wieder die anwaltliche Schweigepflicht vor. Deshalb rückte die Kanzlei auch nicht die internen Memos heraus, auf denen die mündliche Beratung angeblich basierte.

Beim Land ist Gleiss Lutz nun gleich doppelt unter Druck. Die grün-rote Regierung lässt derzeit prüfen, ob sie wegen Falschberatung Schadenersatzansprüche geltend macht. Dass man sich dabei auf die Kanzlei CMS Hasche Sigle stütze, wie es in der Branche heißt, wird bislang nicht bestätigt. Unklar bleibt zunächst auch, woraus genau sich die Ansprüche ergeben und wie hoch sie ausfallen könnten. Die Kanzlei ist für solche Fälle gut versichert, ihre Berufshaftpflicht deckt dem Vernehmen nach einen dreistelligen Millionenbetrag ab.

Kanzlei muss um Land als Mandaten bangen

Zugleich muss Gleiss Lutz um einen langjährigen, guten Mandanten bangen: das Land Baden-Württemberg. Seit vielen Jahren beraten die Anwälte die Regierung, etwa bei gesellschaftsrechtlichen Fragen rund um die Landesunternehmen oder die Landesstiftung. Ein Rahmenvertrag über die Vergütung, die nicht näher beziffert wird, datiert bereits aus dem Jahr 1996. Ihre Missbilligung über die Rolle beim EnBW-Deal hat die neue Regierung der Kanzlei offenbar bereits ausgesprochen.

Nun geht es darum, ob und inwieweit die traditionelle Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Es habe bereits ein erstes Treffen gegeben, verlautet aus dem Finanzministerium, aber die Entscheidung sei noch offen. Ganz leicht dürfte es Gleiss Lutz nicht fallen, Kretschmann & Co. von einem weiteren Werbeversprechen auf ihrer Webseite zu überzeugen: "Mandant und Mandat sind unsere Passion."

Kanzlei mit bisher gutem Ruf

Kanzlei: Gleiss Lutz gehört zu den führenden deutschen, auch international tätigen Anwaltskanzleien. Der Grundstein für die Sozietät wurde 1949 in Stuttgart von Alfred Gleiss gelegt. An den zehn Standorten in Deutschland und Europa arbeiten heute mehr als 250 Advokaten. Ihre Kunden sind Konzerne im In- und Ausland, Mittelständler und Körperschaften des öffentlichen Rechts - wie das Land Baden-Württemberg.

Renommee: Der jährliche Umsatz wird auf 150 Millionen Euro geschätzt. Alleine die Begleitung des EnBW-Deals dürfte mehrere Millionen Euro gebracht haben. Anspruch der Kanzlei ist es, "in jedem Rechtsgebiet zur Marktspitze zu gehören". Viele Auszeichnungen dokumentieren den - bisher - guten Ruf von Gleiss Lutz. mül