Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hat sich in Brasilien ein Bild von der Soja-Produktion gemacht. Er vergleicht die dort agierenden Großgrundbesitzer mit Strukturen der Organisierten Kriminalität.

Brasilia - Die Handelsketten in Deutschland müssten verpflichtet werden, nichts zu vermarkten, was in anderen Ländern unter Missachtung der Menschenrechte oder unter ökologisch nicht hinnehmbaren Bedingungen produziert wird. Das hat der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, nach einer Reise durch Soja-Anbaugebiete in Brasilien gefordert. Dort hatte er Hinweise auf übermäßigen Einsatz von Pestiziden und     massive Landvertreibungen erhalten.

 

Probleme nicht dem Verbraucher aufbürden

Der Konsument in Deutschland könne sich zwar an zertifizierte, also von unabhängigen Prüfern für gut befundene Produkte halten, sagte Hofreiter, aber er sei dagegen, das Problem allein dem Verbraucher aufzubürden. „Es gehört doch zu den Mindestanforderungen an den Staat, dass Produkte, die man in Deutschland legal kauft, die Gewähr bieten, dass sie nicht toxisch oder unter sklavereiähnlichen Bedingungen herstellt wurden“, sagte Hofreiter. „Die Produktionskette, an deren Ende Aldi mit seinen billigen Schweineschnitzeln die Kunden in die Läden lockt, beginnt hier“, sagte Hofreiter vor Journalisten in Rio de Janeiro, denn in Brasilien entstehe die billige Soja, durch die der niedrige Preis für Fleisch erst möglich werde.

Die Globalisierung der Agrarwirtschaft sei längst Realität, aber die nötigen Kontrollen und die „Nachverfolgbarkeit“, also die Möglichkeit, die Produktionsbedingungen des Schnitzels über die gesamte Herstellungskette hinweg zu überschauen, hinkten hinterher. Die EU solle grundsätzlich keine Agrarrohstoffe wie Futtermittel importieren, die unter unethischen Bedingungen entstehen, forderte Hofreiter.  

Mordanschlag auf Kleinbauern

            Der Politiker hatte den Soja-Staat Mato Grosso besucht, wo drei Prozent der Betriebe 61 Prozent der Fläche bewirtschaften, während 75 000 Kleinbetriebe nur sechs Prozent bestellen. Er berichtete von Gesprächen mit einem Kleinbauern-Vertreter, der knapp einem Mordanschlag entgangen ist, mit medizinischem Personal, das von auffälligen Häufungen von Lungenerkrankungen sprach, mit Toxikologen, die nach Veröffentlichung einer den Gifteinsatz der Landwirtschaft kritisierenden Studie Morddrohungen erhielten und sich verstecken mussten. Hofreiter zufolge besitzen in Mato Grosso die Großgrundbesitzer den Löwenanteil des Lands, und „trotzdem vertreiben sie noch die, die nur zwei Prozent haben“. Allein im ersten Halbjahr 2015 seien rund 2000 Familien verdrängt worden, sagte Hofreiter unter Berufung auf die katholische Landpastorale.

Eine ökonomische Logik könne das nicht haben, meint Hofreiter, sondern es gehe darum, die „Machtstruktur zu etablieren“. In der kleinbäuerlichen Landwirtschaft entstehe viel mehr Beschäftigung und angemessenes Einkommen – ein Modell, dass den Großgrundbesitz in Frage stelle, „und das soll, so hat man den Eindruck, mit der Wurzel ausgerottet werden“. Bei Kontakten mit den großen Farmern vor Ort habe er mitunter „das Gefühl gehabt, ich spreche mit dem organisierten Verbrechen“.