Der gemeinnützige Betreiber Neue Arbeit muss zum ersten Mal einen seiner Supermärkte schließen. Offenbar hatte man ihm vor der Eröffnung einiges vorenthalten.

Göppingen - Würde es nach ihnen gehen, würde er bleiben, wo er ist: Zwei ältere Frauen laufen sich am Samstag vor dem Cap-Markt in Holzheim über den Weg. „Hast du schon gehört, dass die zumachen“, fragt die Ältere, die gerade ihre Einkäufe aus dem Supermarkt herausträgt. Die andere nickt bedauernd. „Ich habe hier fast alles eingekauft, was ich brauche“, klagt die Ältere. „Eine Schande ist das“, findet auch die Jüngere. Doch die Betreiber des besonderen Supermarktes, in dem die Hälfte der Mitarbeiter behindert ist, können es sich nicht mehr leisten, ihn zu erhalten.

 

Cap-Märkte scheinen sich im Kreis Göppingen schwer zu tun. Dabei gelten sie in der Region Stuttgart eigentlich als Erfolgsgeschichte. Sie bieten zum einen Menschen mit zum Teil schweren Behinderungen einen regulären Arbeitsplatz, zum anderen stellen sie häufig die Nahversorgung in kleineren Stadtteilen an Standorten sicher, die für profitorientierte Unternehmen eher uninteressant sind.

Schließung nach nicht mal vier Jahren

Doch in Göppingen muss jetzt der Cap-Markt im Stadtteil Holzheim, der erste überhaupt im Kreis, nach nicht einmal vier Jahren schließen. Der zweite Markt im benachbarten Eislingen kommt gerade so über die Runden. Nach Auskunft der Betreiber gibt es für ihn zwar keine Schließungspläne, aber „wir hatten einen schwierigen Start und brauchen in Zukunft noch mehr Zuspruch“, wie Jörg Moosmann berichtet, der Fachbereichsleiter für die 15 Cap-Märkte der gemeinnützigen Gesellschaft Neue Arbeit in der Region Stuttgart.

Hätte Moosmann vor dreieinhalb Jahren, im Frühjahr 2014, gewusst, was er wenig später erfahren musste, der Cap-Markt in Holzheim hätte vermutlich nie eröffnet. „Bevor wir an einen neuen Standort ziehen, schauen wir uns die Bedingungen vor Ort sehr genau an“, berichtet er. Schließlich sei die Gesellschaft zwar im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern nicht profitorientiert, wirtschaftlich arbeiten müsse freilich auch sie. „Eine schwarze Null müssen wir schon erwirtschaften, die Läden müssen sich selbst tragen können“, so Moosmann.

Die Konkurrenz war zu groß

Auch in Holzheim hatten sich Moosmann und seine Mitarbeiter genau umgeschaut, hatten mit den Vereinen gesprochen und dem Bezirksamt. Die Bedingungen schienen günstig für einen Cap-Markt und die Bürger wünschten sich einen Supermarkt für ihren Stadtteil. Doch was den Cap-Markt-Betreibern keiner sagte: Schon damals planten die Betreiber des Edeka im zu Holzheim gehörenden Ursenwang, ihren Supermarkt deutlich zu erweitern. „Ob diese Information vom Bezirksbeirat in Holzheim absichtlich zurückgehalten wurde oder nicht, weiß ich nicht“, sagt Moosmann heute. „Aber“, so fährt er fort, „hätten wir gewusst, dass ein großer Edeka ganz in der Nähe eröffnet, wären wir wohl nicht hergekommen.“ Die Konkurrenz durch solche Märkte sei erfahrungsgemäß einfach zu groß.

Hinzu komme, so Moosmann, dass sich auch die Vereine, nachdem der Markt erst einmal eröffnet hatte, nicht mehr für diesen interessiert hätten. Zuvor hätten sie angekündigt, den Markt zu unterstützen und etwa für Veranstaltungen dort einzukaufen. Passiert sei allerdings nichts.

Am 18. November öffnet der Holzheimer Cap-Markt das letzte Mal seine Türen, dann ist Schluss. „Wir können es uns auf Dauer einfach nicht leisten, den Markt mit unseren anderen Märkten quer zu finanzieren“, sagt Moosmann. Fünf der sechs Mitarbeiter kommen im Markt in Eislingen unter, der Holzheimer Marktleiter kehrt in die Zentrale der Gesellschaft in Stuttgart zurück. Was aus dem Gebäude wird, das der Göppinger Unternehmerfamilie Gebauer gehört, ist offen. Dass sich ein regulärer Supermarkt an dem Standort behaupten kann, bezweifelt Moosmann. Den Gebauers ist er dankbar. „Die haben uns so gut es ging unterstützt und uns sogar die Miete erlassen“, sagt er.

Deutschlandweit erfolgreiches Konzept aus Böblingen

Beginn:
Als 1999 in Herrenberg (Kreis Böblingen), im Ortsteil Ziegelfeld, der letzte ortsansässige Lebensmittelmarkt geschlossen werden sollte, traf der damalige Geschäftsführer der Gemeinnützigen Werk- und Wohnstätten Gesellschaft GWW, der selbst am Ort wohnte, die Entscheidung, den Markt künftig durch eine Integrationsfirma der GWW zu betreiben. In diesem ersten CAP-Markt in Herrenberg fanden neun Menschen Arbeit, darunter sechs mit Behinderungen.

Heute:
Der Erfolg des ersten Marktes zog bald Kreise: Nach der Eröffnung weiterer Märkte in Weil im Schönbuch, Calw und Malmsheim übernahm im Jahr 2001 die Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Süd (GDW Süd) das Konzept und führte es als Social Franchising weiter. Inzwischen gibt es deutschlandweit rund 100 Filialen, die alle von örtlichen Integrationsunternehmen für Behinderte betrieben werden. In der Region Stuttgart sind die Cap-Märkte recht verbreitet und sehr beliebt, erst jüngst eröffnete ein neuer Markt in der Ortsmitte von Waiblingen-Beinstein.