Hermann Hesses Freundschaft mit Otto Hartmann, der von 1919 bis 1933 Oberbürgermeister in Göppingen war, steht im Mittelpunkt einer Sonderausstellung im Stadtmuseum im Storchen. Außerdem wird ein Ausschnitt aus dem malerischen Schaffen des Schriftstellers gezeigt.

Göppingen - Göppingen hat er nicht geliebt. Ganz im Gegenteil. „Die ,Welt‘, in die man mich hineingestoßen hatte, mundete mir nicht, sie war kahl und nüchtern, rauh und kärglich“, schildert Hermann Hesse (1877–1962) im Rückblick seine Schulzeit an der Göppinger Lateinschule. Mit Otto Hartmann, der in den Jahren 1919 bis 1933 Oberbürgermeister in Göppingen war, verband ihn aber eine tiefe Freundschaft. Diese steht im Mittelpunkt einer Sonderausstellung im Stadtmuseum im Storchen. Vorgestellt wird dort auch der Maler Hermann Hesse. Viele der ausgestellten Aquarelle, zumeist Leihgaben aus Privatbesitz, werden zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Besonders sehenswert sind auch die Schwarz-Weiß-Fotografien von Hesses drittem Sohn Martin, der als „Poet der Kamera“ gerühmt wurde. Sie zeigen nicht nur die enge Vater-Sohn-Beziehung, sie werfen auch ein Licht auf die Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und Otto Hartmann.

 

Diese Fotografie spricht Bände. Hermann Hesse und Otto Hartmann, beide schon hochbetagt, sitzen lausbübisch lachend auf einer Bank in der Tessiner Wahlheimat des Literaturnobelpreisträgers. Martin Hesse (1911–1968) hat es beim letzten Besuch Otto Hartmanns in der Casa Rossa gemacht. Wenige Tage später, kurz nach seiner Rückkehr, starb dieser völlig unerwartet in Ludwigsburg kurz vor seinem 75. Geburtstag. Es ist nicht das einzige Foto der Ausstellung, das Zeugnis ablegt von einer Verbindung, die Hermann Hesse als eine „feste, unsentimentale, aber herzliche Freundschaft“ charakterisierte.

Erste Begegnung im Kloster Maulbronn

In jeder Aufnahme scheint der große Respekt auf, den der „unermüdliche Beamte“, wie Hesse seinen Freund einmal bezeichnete, und der Literat füreinander hegten. Dabei wirken die beiden stets gelöst, ja heiter. In einem Nachruf in der Lokalpresse vom 8. November 1952 würdigt der Schriftsteller Hartmann auf einer ganzen Zeitungsseite. Sie ist genauso im Storchen ausgestellt wie ein Abschiedsgruß zur Trauerfeier, den Hesse mit den Worten beschließt: „Ich danke dir, Lieber, für dein von mir und von Vielen als vorbildlich bewundertes Leben und traure mit den Deinen tief um einen der Besten, die wir gekannt haben.“

Hesses und Hartmanns Wege kreuzten sich erstmals 1891 im Evangelischen Seminar des Klosters Maulbronn. Vier Jahre später begegneten sie sich wieder in Tübingen, wo Hesse eine Lehre in der Buchhandlung Heckenhauer begonnen hatte. Auch wenn ihre Lebenswege zumeist getrennt verliefen, so verloren sie sich nie aus den Augen. Hartmann zuliebe kam Hesse im März 1928 sogar noch einmal in das so verhasste Göppingen zurück. Gemeinsam gingen sie die Wege, die Hesse einst als Schüler gegangen war. Otto Hartmann führte über diesen Besuch akribisch Buch. Fünf Jahre später brachen für ihn schwere Zeiten an. Die Nationalsozialisten schassten den überzeugten Demokraten gleich nach ihrer Machtübernahme im Jahr 1933 aus dem Amt. Der Schriftsteller lebte damals schon in der Casa Rossa in Montagnola, wo er am 9. August 1962 starb. Während der NS-Zeit unterstützte er von dort aus unzählige Emigranten und Juden.

Malen zur Bewältigung einer Lebenskrise

Eine unbekannte Facette Hesses scheint in seinen Aquarellen auf. Im Jahr 1917 hatte der Autor nach einer schweren Lebenskrise mit dem Malen begonnen. Seine bevorzugten Motive waren die Landschaften des Tessins. Er selbst sah sein bildnerisches Schaffen durchaus kritisch. „Ich bin kein guter Maler, ich bin ein Dilettant; aber es gibt keinen einzigen Menschen, der in diesem weiten Tal die Gesichter der Jahreszeiten, der Tage und Stunden, der die Falten des Geländes, die Formen der Ufer, die launigen Fußwege im Grün so kennt und liebt und hegt wie ich, der sie so im Herzen hat und mit ihnen lebt“, schreibt er in dem Band „Über das Glück: Betrachtungen und Gedichte“. Zu sehen sind im Storchen auch zahlreiche Illustrationen, mit denen er Texte oder Briefe schmückte.

Begleitprogramm zur Ausstellung

So hielt Otto Hartmann 1932 fest: „Denn er schreibt mir keinen Brief, an dessen Kopf er nicht ein feines zartes Bildchen malt, mit einem Stück Himmel, einer Berglinie, einem Seeblick, einer Blume, einem rötlichen Landhaus.“

„Ihr seid Christen, und ich – nur ein Mensch“, lautet der Titel eines Vortrags, den Albrecht Esche am Montag, 25. September, um 19.30 Uhr im Museum im Storchen hält. Der Theologe und Literaturwissenschaftler widmet sich Hesses Zeit in Bad Boll.

Auf die Spur des Schülers Hesse begibt sich Karl-Heinz Rueß, der Leiter des Stadtmuseums, am Sonntag, 8. Oktober, um 15 Uhr. Die Teilnehmer des stadtgeschichtlichen Rundgangs treffen sich an der früheren Lateinschule (Pfarrstraße 11).

„,So blickt aus sagenhafter Frühe/Mein Jugendbild mich an . . .’ Hermann Hesse – die Zeit in Göppingen und Bad Boll“ lautet am Mittwoch, 25. Oktober, der Titel einer Lesung mit Gerd Kolter im Stadtmuseum. Beginn ist um 19.30 Uhr. Zu einer Lesung mit musikalischer Begleitung lädt die Lyrik-Bühne Esslingen zum 140. Geburtstag Hesses am Freitag, 10. November, um 20 Uhr in die Stadtbibliothek ein.

„Hermann Hesse – Sein erstes Paradies“ heißt ein Film aus dem Jahr 2012 von Hardy Seer, der am Sonntag, 19. November, um 17 Uhr im Stadtmuseum gezeigt wird.

Zur Ausstellung im Stadtmuseum ist ein Begleitheft erschienen, das die Freundschaft zwischen Hermann Hesse und Otto Hartmann näher beleuchtet. Bis zum 19. November ist die Hesse-Ausstellung zu sehen. Bis dahin sind sechs Führungen geplant, und zwar am 17. und 27. September, am 19. Oktober sowie am 12. und 19. November. Beginn ist jeweils um 15 Uhr.