Die Stolperstein-Initiative gibt einen Band mit Biografien der in der NS-Zeit ermordeten Göppinger heraus. Der Gemeinderat hat 10 000 Euro für dieses Projekt bewilligt.

Göppingen - Sie haben mit der Verlegung von Stolpersteinen dafür gesorgt, dass die Namen und die Schicksale der von den Nationalsozialisten ermordeten Göppinger dem Vergessen entrissen wurden. Dutzende Biografien haben sie zusammengetragen. Nun wollen die Mitglieder der Göppinger Stolperstein-Initiative ein Buch mit all diesen Lebensgeschichten in Kurzform herausgeben, quasi als Schlusspunkt einer Recherche, die fast zehn Jahre in Anspruch genommen hat. 10 000 Euro hat der Gemeinderat für dieses Projekt bewilligt. Zunächst sollen 500 Exemplare gedruckt werden.

 

„Wir haben mittlerweile alle Menschen erfasst, die ermordet wurden“, sagt Klaus Maier-Rubner von der Stolperstein-Initiative. Im vergangenen Herbst seien noch vier Stolpersteine für die jüdische Familie Ottenheimer in der Schumannstraße verlegt worden. Und in diesem Jahr soll ein Stein für Jakob Barbian gesetzt werden. Zum Jahresende wollen die Initiatoren dann das Buch herausbringen.

Ehrgeiziges Konzept

Das Konzept, an dem auch Karl-Heinz Rueß, der Leiter des Stadtarchivs, und Wolfram Hosch, der Leiter des städtischen Kulturamts, mitgewirkt haben, ist ehrgeizig. Denn die Kurzbiografien – die ausführlichen Lebensgeschichten stehen auf der Homepage der Initiative und werden dort bei Bedarf laufend ergänzt – sollen nicht nur in deutscher Sprache gedruckt werden. „Wir wollen sie auch ins Englische übersetzen“, sagt Maier-Rubner. Der Grund dafür ist naheliegend: Die meisten Nachfahren der jüdischen Bürger, die von den Nazis ermordet wurden oder Göppingen während des Dritten Reiches für immer den Rücken kehrten, leben in den USA, in England oder auch Israel. „Viele von ihnen sprechen nur Englisch“, erklärt Maier-Rubner, der während seiner Nachforschungen den Blick nicht nur in die Vergangenheit gerichtet hat, sondern auch in der Gegenwart auf Spurensuche gegangen ist. „Zu vielen Nachkommen habe ich Kontakt“, erzählt er. Von ihnen weiß er auch, dass sie an einem Buch wie dem geplanten Interesse haben.

Der Band soll die Erinnerung an ein Verbrechen wach halten, das ohne Beispiel ist. Klaus Maier-Rubner, der den Großteil der Biografien verfasst hat, und seine Mitstreiter bei dieser Sisyphusarbeit – Claudia Liebenau-Meyer und Fritz Waaser – hoffen, dass die Texte auch im Schulunterricht Verwendung finden. Außerdem soll das Buch so handlich sein, dass er bei einem Rundgang durch Göppingen gut mitgenommen werden kann. „Wir wollen einen kleinen Stadtplan beifügen, auf dem die Orte vermerkt sind, an denen Stolpersteine verlegt wurden“, sagt Maier-Rubner.

Es gibt noch viel zu tun

Zur Illustration der Lebensläufe haben die Mitglieder der Initiative zahlreiche Fotos zusammengesucht. Sie zeigen oft fröhliche Menschen, die mitten im Leben stehen. Bis zur Drucklegung haben die Mitglieder der Stolperstein-Initiative noch viel zu tun. Fritz Waaser habe die ausführlichen Biografien der Homepage zwar bereits in Kurzform gebracht, doch nun müssten die Fakten noch einmal genau überprüft und die Texte auf Rechtschreibfehler hin durchgesehen werden, sagt Klaus Maier-Rubner. „Da werden wir noch mehrere Durchgänge machen.“

Dass die Stolperstein-Initiative nach Vollendung des Buches nichts mehr zu tun hat, befürchtet er nicht. „Generell wird unser Arbeitsschwerpunkt aber immer mehr dahin gehen, uns mit dem Schicksal weiterer jüdischer Familien zu beschäftigen, die vertrieben wurden.“ Er freut sich, dass die Aktivitäten des Vereins oft auch Familienangehörige zusammenführen, die nichts voneinander wussten. Edith Netter, eine Nachfahrin der Industriellenfamilie Netter, die in den USA lebt, hat über Maier-Rubner eine Cousine zweiten und später noch eine Cousine ersten Grades kennengelernt. Solche Geschichten seien sehr berührend, sagt Maier-Rubner.