Die Freien Wähler wollten Joachim Hülscher ausschließen – angeblich, weil er den Andreas-Hofer-Bund, einer südtiroler Separatistenorganisation, unterstützt. Das sei längst bekannt, sagen andere Stadträte. Der Vorwurf sei ein Vorwand. Hülscher selbst zieht die Konsequenzen und verlässt die Göppinger Gemeinderatsfraktion.

Göppingen - Ausgerechnet der Linke-Stadtrat Christian Stähle springt seinem konservativen Kollegen Joachim Hülscher in einem Streit bei, den er mit seinen Kollegen von der Freien-Wähler-Fraktion (FW) im Göppinger Gemeinderat hat. Sie wollen Hülscher aus der Fraktion und aus dem Ortsverband werfen. Der Grund: die Lokalzeitung hat ihn in einem Bericht in die Nähe von Rechtsextremisten gerückt, weil er sich geweigert habe, bei einem Fest einem Schwarzafrikaner die Hand zu geben. Hülscher bestreitet dies vehement. Außerdem wurde sein jahrelanges Engagement für den Andreas-Hofer-Bund (AHB) öffentlich gemacht. Dieser setzt sich für eine Loslösung Südtirols von Italien ein. „Untragbar“, urteilen die FW. Am Mittwochabend fand daher eine Sondersitzung statt – ohne Hülscher, der weder darüber informiert noch dazu eingeladen war. Von dem geplanten Rausschmiss hatte er aus der Zeitung erfahren. Das Ergebnis der Sitzung: Die FW bekräftigten erneut ihre Kritik an Hülscher. Zum Rausschmiss kam es aber nicht mehr, denn Hülscher hatte bereits die Konsequenzen gezogen und trat aus der Fraktion aus.

 

Stähle: Die angeblichen Enthüllungen seien alte Kamellen

Doch während sich die FW entsetzt über die angeblichen Enthüllungen zeigen, sagen sowohl Stähle als auch der Fraktionschef der SPD, Armin Roos, dass es sich um alte Kamellen handle. Hülscher habe nie ein Hehl aus seiner Mitgliedschaft im AHB gemacht. „Lange, bevor ich nach Göppingen kam, war ich dort schon Mitglied und habe das auch immer wieder thematisiert“, sagt Hülscher, der lange in Bayern gelebt und dort Kontakte nach Südtirol geknüpft hat. Habe man etwa nach Gemeinderatssitzungen noch gemeinsam in der Kneipe gesessen, habe er oft erzählt, dass er für den AHB mal wieder nach Südtirol fahre. Schließlich sei er unter anderem Pressesprecher des deutschen Ablegers der Organisation gewesen. Er setze sich grundsätzlich für das Selbstbestimmungsrecht aller Völker ein, das gelte auch für Tibeter, Schotten oder Flamen.

Roos und Stähle bestätigen, dass Hülschers Engagement allseits bekannt gewesen sei. Stähle kündigt an, er sei jederzeit bereit, eidesstattlich zu versichern, dass er sich in den vergangenen Jahren mit anderen Gemeinderäten über das Thema unterhalten habe – auch mit denen, die sich jetzt öffentlich für einen Rauswurf Hülschers starkgemacht hatten: der Fraktionschef Wolfram Feifel, dessen Stellvertreter Stefan Horn und Emil Frick.

Freie Wähler bestreiten vehement, die Vorwürfe auszunutzen

Feifel und Frick bestreiten vehement, mit Stähle oder einem anderen Gemeinderat über Hülschers Engagement gesprochen zu haben. Sie weisen auch einen weiteren Vorwurf von sich: Stadträte munkeln, dass die Kritik an Hülscher für die Freien Wähler ein „Glücksfall“ sei, denn nun habe man einen Vorwand, den eigensinnigen Kollegen loszuwerden. Tatsächlich hat es immer wieder Reibereien zwischen Frick, Feifel, Horn und Hülscher gegeben.

Der FW-Fraktionsvorsitzende im Regionalparlament, der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky, sieht im Gegensatz zu den Göppingern „keinen Anlass für einen Rauswurf“ aus der Regionalfraktion, wo Hülscher ebenfalls ein Mandat hat. Zumindest, sofern der AHB nicht extremistisch sei. Vermutlich kann davon aber keine Rede sein (siehe „Der Andreas-Hofer-Bund“). Hesky will Hülscher bei der nächsten Fraktionssitzung die Chance geben, sich zu äußern.

Andreas-Hofer-Bund

Verfolgt
Im Dritten Reich ist der Südtiroler Andreas-Hofer-Bund von den Nazis verboten worden. In den 20er und 30er Jahren hatte er sich für deutschen Schulunterricht eingesetzt.

Freiheitskämpfer
Andreas Hofer gilt in Südtirol als Nationalheld. Er hat in den Befreiungskriegen von 1809 dreimal siegreich Truppen gegen Napoleon geführt.

Wiedergegründet
Der Bund will laut Satzung „das Gedenken an Andreas Hofer pflegen“ und „mit demokratischen Mitteln (. . .) für die Einheit und Freiheit Tirols arbeiten. Hierbei sollen die Menschenrechte unter besonderer Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechtes für Südtirol die Grundlage bilden.“ Der Bund wird immer wieder in die rechte Ecke gerückt, doch weder der Verfassungsschutz noch der Esslinger Extremismusforscher Kurt Möller haben Erkenntnisse über tatsächliche rechte Aktivitäten