Die Altwürttemberger Pferde gehören zu den extrem gefährdeten Haustierrassen. Christine Zwicker aus Jebenhausen nennt zehn dieser Tiere ihr eigen. Klar seien die im Kopf und robust, die idealen Familienpferde, sagt sie.

Göppingen - Wer den Begriff Kultur hört, denkt an Bücher, an Musik und alte Kirchen, weniger an Tiere. Doch das Kulturgut, das Christine Zwicker pflegt, steht in ihrem Stall. Sie züchtet auf dem Haldenhof in Göppingen-Jebenhausen Altwürttemberger Pferde. In ihrer Familie hat das Tradition. Ihr Vater fing damit an. 1960 war das, und schon als kleines Mädchen spannte Christine Zwicker an und kutschierte den Mist fort oder ritt aus, ganz allein, wie sie betont. „Wir sind immer gut wieder nach Hause gekommen. Die Altwürttemberger sind klar im Kopf, keine Durchgänger.“ Zwar könnten auch sie sich mal erschrecken und hüpfen, aber sie seien dann gleich wieder ruhig. Deshalb könne sie sie auch Kindern an die Hand geben. Sogar ihr Hengst Sorius kann von Kindern geritten werden.

 

So käme es der heute 44-Jährigen auch nie in den Sinn, auf eine andere Pferderasse umzusatteln. Ihre züchterischen Aktivitäten sieht sie als einen Beitrag, diese alte, extrem gefährdete Haustierrasse in die Zukunft hinüberzuretten. „Ob uns das gelingt, ist fraglich“, sagt sie. Es gebe nur noch rund 50 eingetragene Zuchtstuten und neun eingetragene Hengste.

Der Tierarzt ist ein seltener Gast

Mit ihrem Bemühen steht sie nicht allein. Inzwischen setzen sich auch das Haupt- und Landgestüt in Marbach wie auch der Pferdezuchtverband dafür ein, dass diese alte Rasse nicht von der Bildfläche verschwindet. Das Haupt- und Landgestüt besitzt mittlerweile wieder vier Altwürttemberger Hengste. In den 1960er Jahren hatte es diese stämmigen und mit einem Stockmaß von 1,55 bis 1,65 Meter vergleichsweise kleinen Pferde aussortiert und sich auf die Zucht moderner Reitpferde verlegt, die sich mittlerweile überall durchgesetzt haben.

Die heutigen Reitpferde seien häufig sehr anfällig, sagt Christine Zwicker. Ihre Altwürttemberger dagegen bräuchten den Tierarzt nur sehr selten. Das liege daran, dass sie an die hiesigen Breitengrade bestens angepasst seien. „Dafür wurden sie gezogen, sie kommen auch bestens mit dem Futter klar, das hier wächst“, sagt die Züchterin. Darüber hinaus seien die Pferde sehr leistungsfähig und nervenstark. „Früher wurden sie die ganze Woche über zur Feldarbeit eingesetzt, am Wochenende ging es dann aufs Turnier.“

Mit ihrem Engagement für das Altwürttemberger Pferd setzt Christine Zwicker fort, was ihr Vater Peter Zwicker einst begonnen hatte. Nach einem Umweg über andere, weniger robuste Rassen entdeckte er den Altwürttemberger für sich und setzte sich fortan mit Herzblut für die Erhaltung dieser Rasse ein. Mit seiner Stute Firna und Freisohn, dem damals letzten und eigentlich bereits aussortierten Altwürttemberger-Zuchthengst des Marbacher Gestüts legte er den Grundstein für seine Zucht. Denn aus dieser Verbindung ging Freya hervor. Ihre Enkelin Sissi steht mit ihren 22 Jahren noch gesund und munter auf dem Haldenhof.

Ihr Tag beginnt um 4.30 Uhr

Wie bei ihrem Vater, der von Beruf Waagenbauer war, sind die Pferde Christine Zwickers Hobby. Sie arbeitet in der Göppinger Klinik. Ihr Tag beginnt um 4.30 Uhr im Pferdestall. Das frühe Aufstehen macht ihr nichts aus. „Wenn ich die Pferde gemistet habe, dann bin ich fit“, sagt sie. Wenn sie nachmittags von der Arbeit nach Hause kommt, dann wird geritten und gefahren, die Pferde wollen bewegt sein. Unterstützt wird die Züchterin von ihrem 13-jährigen Sohn Toni, der trotz seiner jungen Jahre schon das große Fahrabzeichen hat. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Luis scheint er das Zwicker’sche Pferdegen geerbt zu haben. Als er neun Jahre alt war, schickte ihn seine Mutter allein mit einem dreijährigen Pferd zu einem Fahrkurs. Als sie gefragt wurde, ob sie denn keine Angst habe, antwortete sie nur: „Ich hoffe, er bringt das Pferd heil zurück.“ Toni, so hofft sie, setzt fort, was sein Großvater einst begonnen hat. Sie trat in ihres Vaters Fußstapfen, als dieser vor 16 Jahren starb. „Mein Vater war wohl der letzte, dessen Sarg mit einer Kutsche zum Friedhof in Uhingen gefahren wurde“, erzählt sie.

Eine gefährdete Haustierrasse

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) gibt es seit 1981. Seither ist in Deutschland keine dieser Rassen mehr ausgestorben. Der Verein führt eine Rote Liste und benennt eine gefährdete Tierart des Jahres. Er hat auch verschiedene Projekte angestoßen, etwa das Arche-Hof-Projekt, dem inzwischen mehr als 90 Betriebe angehören.

Die Rote Liste der GEH umfasst eine Vielzahl von Nutztieren, die in den Ställen selten geworden sind. 2017 hat der Verein die Deutsche Pekingente, die Orpingtonente und die Warzenente zum gefährdeten Tier des Jahres gekürt. Im kommenden Jahr stehen die Altwürttemberger Pferde im Mittelpunkt. Sie gelten der Rote Liste zufolge als extrem gefährdet.

Wie leistungsstark das Altwürttemberger Pferd ist, ist vom 19. bis zum 28. Januar 2018 auf der Grünen Woche in Berlin zu sehen. Dort wird diese Rasse vor der Kutsche und unter dem Sattel vorgestellt. Mit dabei sind auch die Göppingerin Christine Zwicker und ihre Pferde.