Für die einen sind die Stadttauben die Ratten der Lüfte, die alles vollkoten. Für die anderen sind sie einfach arme Schweine. Doch möglicherweise könnte das Göppinger Problem gelöst werden, wenn sich die Stadt ein Beispiel am Nachbarn Esslingen nimmt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Wer in Göppingen Tauben füttert, kann es mit den Ortspolizisten zu tun bekommen. Mindestens 25 Euro beträgt das Bußgeld bei Verstößen gegen das Fütterungsverbot, das der Gemeinderat vor einigen Jahren als Mittel gegen die zunehmende Taubenplage verhängt hat. Genützt hat das Verbot eigentlich nichts. Wie sich jetzt bei einer Veranstaltung der Freien Wähler gezeigt hat, könnte vielmehr in der professionellen Fütterung des ungeliebten Federviehs ein Lösungsansatz für das Problem liegen.

 

Das zumindest ist die Erfahrung, die seit 15 Jahren in Esslingen gemacht wird. „Wir haben die Zahl der Tauben auf die Hälfte reduziert“, erklärte Dagmar Jansen vom Esslinger Stadtplanungsamt den verblüfften Besuchern des Bürgerforums, das die Freien Wähler am Mittwochabend im Schulersaal der Stadthalle abhielten. Wobei, das sei eingeräumt, die Fütterung natürlich nur ein Element des Esslinger Konzepts zur „tierschutzgerechten Regulierung der Taubenpopulation“ darstellt.

Ein Punker beißt die Taube

„Auch wir in Göppingen wollen ein gutes Miteinander auf niedrigem Niveau“, formulierte der Stadtrat Wolfgang Berge den verbreiteten Wunsch. Eine wahre Odyssee hatte er im Vorfeld absolviert, um einen Experten ausfindig zu machen, der genau einen solchen Erfolg würde in Aussicht stellen können. Bis Augsburg telefonierte er sich die Finger wund. Dort erfuhr er, dass die ideale Besetzung nur eine halbe Taubenflugstunde entfernt in Esslingen zu finden sei: Schon zahlreiche Städte hat Dagmar Jansen bei ihrem Abwehrkampf gegen die Taubenplage beraten und sogar den Landestierschutzpreis eingeheimst.

In Göppingen hat es der Tierschutzgedanke beim Thema Tauben inzwischen allerdings schwer. So musste sich schon die Justiz einschalten. Das Amtsgericht verurteilte einen Punker zu einer Haftstrafe, der einer Taube mitten in der Göppinger Fußgängerzone den Kopf abgebissen hatte. „Ich weiß nicht, warum man wegen einer beschissenen Taube so einen Aufstand macht“, kommentierte er das Urteil.

Taubenmist im Cafè latte

Rechtschaffene Bürger dürfte diese Rohheit empören. Doch auch sie haben ihre Not mit den flatternden, gurrenden und überall etwas hinterlassenden Tieren. Für viele Hauseigentümer werde die Situation immer ärgerlicher, berichtete der Immobilienverwalter Bernhard Edelmann. Erst kürzlich habe er im Auftrag der Eigentümer das komplette Commerzbank-Gebäude am Marktplatz taubensicher machen lassen: Netze, Gitter, Stacheln auf jeder Fensterbank und jeder Schräge. „Lässt man nur einen Spalt übrig, schlüpfen sie durch.“ 20 000 Euro habe alles in allem gekostet. Und der Erfolg: „Jetzt sitzen sie auf dem Nachbarhaus.“

In Göppingen meidet mancher schon Straßencafés, weil ihm Taubenmist in den Cafè latte geflogen war. In Esslingen hat sich die Lage indes entspannt. Dort seien im Rathaus über dem Dienstzimmer des Oberbürgermeisters, auf einem Parkhaus am Bahnhof und im Dachgeschoss des Technischen Rathauses Taubenschläge eingerichtet worden. Dreimal die Woche gebe es gutes Futter, die Gelege würden durch Gipseier ersetzt, berichtete Jansen. „Tauben sind sehr standorttreu.“ 70 Prozent des Kots bliebe im Schlag. In Esslingen sorge ein Freiwilliger vom Brieftaubenverein für Sauberkeit. Das sei auch gar nicht so schlimm, weil die Tiere durch die artgerechte Fütterung viel gesünder seien. „Ansonsten haben die Tauben alle Durchfall.“

Taubenschlag im Rathausturm?

Nachdem bisher Konzepte zur Taubenregulierung wegen der vermeintlich hohen Kosten im Göppinger Gemeinderat wiederholt gescheitert waren, hoffen die Freien Wähler jetzt auf ein Einsehen der anderen Fraktionen. Der Tierschutz habe jedenfalls keine Einwände, sagte der ehemalige Vorsitzende des Tierschutzvereins und bekennende Taubenzüchter Eberhard Neubrand. Auch er könne sich eine solche Vorgehensweise vorstellen, erklärte der Tiefbauamtsleiter Werner Hauser. Die Verwaltung sei dabei, einen Vorschlag zu erarbeiten. Die Frage ist, wo in Göppingen ein Taubenschlag eingebaut werden könnte. „Ein privates Gebäude bekommen Sie dafür nicht“, ist Jansens Erfahrung. Doch auch das Rathaus von OB Till ist wohl eher ungeeignet. Der Glockenturm ist mit dem historischen Uhrwerk bereits voll besetzt.

Schub aus dem privaten Taubenschlag

Bei Stadttauben handelt es sich um Nachfahren zunächst domestizierter und dann wieder freigelassener Felsentauben. Während gepflegte Brieftauben bis zu 15 Jahre alt werden, überlebt eine Taube in der Stadt nur vier bis fünf Jahre. Die meisten Taubenkrankheiten sind für den Menschen ungefährlich.

Tauben leben monogam und kümmern sich gemeinsam um die Aufzucht ihrer Brut. In der Regel legt das Weibchen zwei Eier. Allerdings bringt es eine Taube auf fünf Gelege im Jahr, manchmal sogar noch mehr.

In Esslingen sind die Tauben vor 15 Jahren gezählt worden. Man kam auf 900 Tiere. Wie viele es in Göppingen sind, ist unbekannt. Schätzungen gehen von 500 aus. Einen Schub gab es vor zehn Jahren, als ein improvisierter Taubenschlag in einem Haus in der Hauptstraße mit 150 Vögeln nach dem Tod der Besitzerin aufgelöst wurde.