Zuerst gibt es zwei Böllerschüsse. Dann werden bei der Göppinger Gedenkfeier an die Pogromnacht aus einem Auto heraus Nazi-Parolen gerufen. Mehrere Rechtsextreme stören die würdevolle Veranstaltung.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Dass die Erinnerung an die Synagogenbrände am 9. November 1938 und das Betrauern der Opfer der Reichspogromnacht in Göppingen ein paar Ewiggestrigen missfällt, ist nichts Neues. Bereits in der Vergangenheit wurden, meist kurz nach der Gedenkfeier, Blumengestecke zerstört oder Kränze umgeworfen. Am vergangenen Mittwoch erreichten die Störungen allerdings eine andere Dimension.

 

Bereits zu Beginn der Veranstaltung wurden in der näheren Umgebung des Synagogenplatzes zwei Böllerschüsse abgegeben. Kurz nach der Ansprache von Oberbürgermeister Guido Till, fuhren dann zwei Autos auf der nahen Burgstraße vorbei, aus denen von mehreren Leuten Parolen wie „Juden raus“ und „Juden raus aus Palästina“ gebrüllt wurden. Der Vorgang wiederholte sich noch zweimal, ehe die Störer verschwanden. Zudem wurden in der Nacht darauf wieder alle Kränze umgestoßen und Kisten mit Kerzen ausgeleert und um die Gedenktafel verstreut.

Autokennzeichen falsch abgelesen

In beiden Fällen hat die Stadt Anzeige erstattet. Zudem machte Till seiner Empörung Luft: „Für derartige Ausschreitungen bei einer solch wichtigen und würdevollen Veranstaltung habe ich keinerlei Verständnis.“ Er hoffe sehr, dass es dieses Mal gelinge, die Täter zu ermitteln, ergänzte der Rathauschef. Zunächst schien die Chance, dass das klappt, groß zu sein, konnte doch von einem Teilnehmer der Gedenkfeier an einem der Fahrzeuge das Kennzeichen abgelesen werden. Das stimme zwar, erklärte der Polizeisprecher Rudi Bauer. Allerdings habe es dabei wohl einen Lesefehler gegeben, da es die Kombination des auswärtigen Nummernschilds so nicht gebe.

„Nun wird nach Ähnlichkeiten bei Autokennzeichen gesucht, die Rechtsextremen zugeordnet werden können“, sagte Bauer. Die Kripo habe jedenfalls die Ermittlungen aufgenommen. Der Sprecher bestätigte obendrein, dass bereits vor der Gedenkfeier Aufkleber der Neonazi-Partei Der Dritte Weg im Stadtgebiet aufgetaucht seien. „Diese hatten allerdings keinen strafrechtlich relevanten Hintergrund und wurden, zumindest teilweise, vom Bauhof wieder entfernt“, betonte Bauer. Diese Relevanz sei im übrigen oft das Problem. Nur weil sich Rechtsextreme in irgendeiner Kneipe träfen, könne die Polizei keine große Kontrollaktion durchführen.

Mehr Streifen in der Innenstadt

Dass es sich mit den Störungen bei der Gedenkfeier anders verhalte, stellte Bauer indes klar. Von Sachbeschädigung bis Volksverhetzung seien aus rechtlicher Sicht verschiedene Straftatbestände möglich. „Darüber hinaus werden von sofort an mehr Streifen in der Göppinger Innenstadt präsent sein“, erklärte der Polizeisprecher. Ob das am Ende helfe, werde sich zeigen, fügte er hinzu. So verschwanden etwa am Donnerstagabend ein Dutzend Leute, die sich mit Masken und Fackeln auf dem Marktplatz versammelt hatten, bereits wieder, als der erste Streifenwagen auftauchte.