Seit Landkreise und Kommunen Hunderte von Flüchtlingen unterbringen müssen, haben sie den sozialen Wohnungsbau wieder entdeckt. Davon könnten auch viele andere Menschen profitieren.

Göppingen - Preisgünstiger Wohnraum fehlt schon lange, wie der Göppinger Landrat Edgar Wolff jüngst in einer Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses konstatierte – eine nicht ganz neue Erkenntnis, die nicht nur auf den Kreis Göppingen zutrifft, sondern auf die gesamte Region Stuttgart und weit darüber hinaus. Doch getrieben von der Flüchtlingskrise denkt man nun im Kreis Göppingen wieder ernsthaft darüber nach, wie sich dieses Problem lösen lässt. Und nicht nur dort, wird man plötzlich kreativ, bringt neue Kooperationen auf den Weg und entdeckt das sogenannte serielle Bauen für sich, das es eigentlich schon lange gibt.

 

Das Kreishochbauamt hat ein Gebäude entwickelt, dass sich sowohl für die Erst- als auch für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen eignet und außerdem auch einheimischen Familien als günstiger Wohnraum dienen könnte. „Wir müssen nachhaltiger bauen“, sagte der Leiter des Hochbauamts, Rainer Mittner. Zuletzt habe man nur noch so schnell wie möglich Unterkünfte beschafft, doch die Kreisverwaltung wolle wegkommen von billig gebauten Gemeinschaftsunterkünften, die in wenigen Jahren vielleicht schon nicht mehr gebraucht würden.

Eine Gebäude für viele Zwecke

Das neu entwickelte Gebäude gleicht vom Grundriss her einem Doppelhaus und kann massiv oder in Holzbauweise erstellt werden. Dank seiner einfachen Grundstruktur lässt es sich schnell umrüsten. „Sogar Studentenwohnungen wären darin denkbar“, erläuterte Mittner.

Mit dem Konzept will Mittner nun auf die Kommunen zugehen. Sie sollen Baugrundstücke zur Verfügung stellen. Der Kreis und die Kommunen könnten sich dann die Gebäude teilen. Eine Hälfte könnte mit Flüchtlingen in der Erstunterbringung belegt werden, die andere von der jeweiligen Kommune für die Anschlussunterbringung genutzt werden. Auch eine Mischung von Sozialwohnung und Erstunterbringung sei möglich, je nach Bedarf. Ob das Konzept aus dem Landratsamt tatsächlich umgesetzt wird, hängt nun von den Kommunen ab und davon, ob sich Investoren finden lassen.

Kreis strebt Kooperationen mit den Kommunen an

Unabhängig davon ist auch die Kreisbaugesellschaft wieder verstärkt im Gespräch mit den Kommunen. Sie suche Grundstücke, die sich eigneten, um günstige Wohnungen zu bauen, berichtete deren Leiter Thomas Dalm. Dabei habe die Kreisbau vor allem die Mittelzentren wie Eislingen, Uhingen, Süßen und ähnliche Kommunen im Blick. Dort sei der Bedarf besonders groß, weil dort auch die Arbeitsplätze seien. Doch es gebe auch Projekte mit kleineren Gemeinden. Mit Schlierbach und Albershausen etwa laufen bereits Kooperationen: Die Kommunen haben Grundstücke zur Verfügung gestellt und die Kreisbau erstellt nun günstige Wohnungen.

Die Städte Göppingen und Geislingen, die eigene Wohnbaugesellschaften haben, verfolgen weitere Projekte. Im Göppinger Stadtteil Bodenfeld etwa sollen in den kommenden vier Jahren 400 neue Wohnungen entstehen. Die Stadt investiert in vier Jahren 14 Millionen Euro dafür.

In Böblingen plant man gemeinsam

Auch in den anderen Kreisen der Region Stuttgart sucht man beim Thema günstiger Wohnraum neue Wege: Im Kreis Böblingen haben die Kreisverwaltung und die Kommunen eine Arbeitsgruppe Wohnen gegründet, um das Thema gemeinsam anzugehen. Auch dort wird darüber nachgedacht, gemeinsam Unterkünfte zu bauen, die sich später in günstige Wohnungen umwandeln lassen. Um die technischen Herausforderungen zu meistern, tauscht man sich auch mit den Handwerkern im Kreis aus. Sie sollen die Unterkünfte bauen und so auch von den Projekten profitieren.

Ostfildern (Kreis Esslingen) gibt bereits seit Oktober 2014 ein Beispiel, wie günstige Gebäude aussehen können, die sich für verschiedene Unterbringungsformen eignen, weil sie flexibel umgestaltet werden können. Die Stadt hat nach dem Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros u3ba drei Pultdachhäuser für Obdachlose und anerkannte Flüchtlinge gebaut. Das Konzept wird in diesem Jahr bei der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt.