Der Kauf des Göppinger Stromnetzes hat sich schon ausgezahlt. Bereits im ersten Jahr haben die Stadtwerke mit dem neuen Betriebszweig schwarze Zahlen geschrieben.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Der Kauf des Göppinger Stromnetzes ist für die Stadt offenbar bereits im ersten Jahr ein voller Erfolg gewesen. Das geht aus den Bilanzen der Stadtwerke Göppingen und ihres Tochterunternehmens, der Energieversorgung Filstal (EVF), für das vergangene Jahr hervor. Demnach haben beide Unternehmen ihren Gewinn nach Abzug von Sondereffekten erheblich steigern können. Martin Bernhart, der die Geschäfte von EVF und Stadtwerken in Personalunion führt, sprach im Ergebnis von einem Plus von insgesamt 850 000 Euro, das auf die neue Sparte zurückzuführen sei. Dabei entfielen 500 000 Euro auf die Stadtwerke als Eigentümer, der Rest blieb bei der EVF, die das Netz betreibt.

 

Dass bereits im ersten Jahr eine schwarze Zahl geschrieben und sogar ein deutlicher Gewinn erzielt werde, dürfte bei Netzübernahmen „landesweit die absolute Ausnahme sein“, sagte der Oberbürgermeister Guido Till. „Ich bin sehr zufrieden.“ Allerdings seien die wirtschaftlichen Vorteile nur ein Grund für die Übernahme gewesen. „Wir wollten alle wichtigen Infrastruktureinrichtungen der Daseinsvorsorge – Straßen, Abwasserkanäle, Wasser- und eben auch Stromleitungen – in die kommunale Obhut bekommen und nicht von einer auswärtigen Firma abhängig sein“, sagte Till, der beim ehemaligen Netzbetreiber EnBW-Regional (heute Netze-BW) im Dachbeirat sitzt und zunächst zu den Skeptikern gehörte. „Ich habe es als gefährlich angesehen, emotional mit diesem Thema umzugehen.“ Eine positive Wirtschaftsanalyse habe ihn aber beruhigt.

Das neue Team lässt kaum Stromausfälle zu

Für den EVF-Chef Bernhart war im ersten Jahr eine andere Zahl noch wichtiger als der wirtschaftliche Erfolg: der so genannte Saifi-Wert (System Average Interruption Duration Index). Er gibt an, wie viele Minuten der Durchschnittshaushalt im Jahr ohne Strom war. Bundesweit lag dieser Index 2014 bei 12,3 Minuten, der Wert für das gesamte EnBW-Netzgebiet war nicht wesentlich besser. Der Göppinger Stromkunde saß statistisch gesehen dagegen nur 1,4 Minuten im Dunkeln. Zwar schnitten städtische Bereiche bei solchen Vergleichen meist besser ab, so Bernhart. Jedoch habe das junge Team hier hervorragend gearbeitet. Von den zuvor zuständigen Mitarbeitern der EnBW hatte keiner zur EVF gewechselt.

Vor der Netzübernahme war spekuliert worden, dass sich die EVF als Netzbetreiber auch bei der Gewinnung neuer Stromkunden leichter tun könnte. Auch diese Hoffnung hat sich erfüllt. Demnach stieg die Zahl der Bezieher des Göppinger Barbarossastroms von 17 000 auf 20 000, wobei das Wachstum vor allem im Stadtgebiet erzielt wurde. Hier hatte die EVF nach der Stromnetzübernahme das Netzzugangsentgelt um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt. Dies gilt zwar für alle Stromversorger, „wir haben es aber in voller Höhe an unsere Kunden weitergegeben“, sagt Bernhart.

EVF hat wieder Perspektiven

Insgesamt hätten sich die Umsatzerlöse der EVF verdoppelt. Bernhart sieht nun optimistisch in die Zukunft. „Als reiner Gasversorger hätten wir auf längere Sicht keine Perspektive gehabt“, sagt der 56-Jährige, der 2014 seinen Vertrag um fünf Jahre verlängerte.

Bei den Stadtwerken, die auch den defizitären Bäderbereich subventionieren, verblieb 2014 ein Jahresgewinn von 1,7 Millionen Euro. Auf eine Ausschüttung an die Stadt wurde jedoch verzichtet. Zunächst soll das Eigenkapital des Unternehmens gestärkt werden. Die 28 Millionen Euro für den Netzkauf waren komplett über Kredite finanziert worden. Dennoch kann sich die Eigenkapitalquote mit 30 Prozent immer noch sehen lesen. Zum Vergleich: bei der EnBW liegt diese Quote trotz der Einnahmen aus Verkäufen wie diesem nur noch bei acht Prozent.