Mit dem bevorstehenden Verkauf des Boehringer-Areals verliert auch die Sammlung des Göppinger Technikforums ihre Heimstatt. Im Rathaus erzeugt das bisher nur Schulterzucken. Doch der Gemeinderat will den OB jetzt zu mehr Engagement zwingen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Schon der Schrottwert dürfte locker einen fünfstelligen Betrag erreichen. Für die Mitglieder des Göppinger Technikforums ist der historische Maschinenpark, den sie in der ehemaligen Boehringer-Fuhrparkhalle aufgestellt haben, aber ein Vielfaches wert. Mit tatkräftiger Unterstützung der „Garagenschrauber“, einer Gruppe von Rentnern der Boehringer-Werke, seien die Maschinen säuberlich restauriert worden, sagt Christopher Goelz, der dem Technikforum seit 2007 vorsteht. „Das ist alles voll funktionstüchtig.“ Es handle sich um die gusseisernen Zeitzeugen einer Filstäler Erfolgsgeschichte.

 

Doch was halten die Göppinger von der Sammlung, deren Exponate teilweise weit über 100 Jahre alt sind? Die Antwort gibt es an diesem Samstag, wenn das Technikforum zwischen 10 und 14 Uhr seine Pforten zu einem Tag der offenen Tür öffnet. „Ich bin sehr gespannt“, sagt Goelz und hat – strategisch durchaus durchdacht – die benachbarte Staufers Markthalle als Partner gewonnen. Sie ist ebenfalls in einer ehemaligen Boehringer-Halle untergebracht und bietet Getränke und Grillwurst für den Dumpingpreis von je einen Euro an.

OB sieht kein großes Interesse an der Sammlung

Die Zahl der Gäste könnte ein Politikum darstellen. Schließlich hat der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till erst vor kurzem klar gemacht, dass sein Herz nicht an den alten Maschinen hängt. Das Interesse der Allgemeinheit an einer Präsentation der Sammlung sei gering, ließ sich der OB öffentlich zitieren. Einen Brief, mit dem sich Goelz im Namen des Technikforums sorgenvoll an den OB gewandt und um einen Gesprächstermin gebeten hat, ließ er über Wochen unbeantwortet.

Der Verein befürchtet nämlich, sein Domizil auf dem Boehringer-Areal zu verlieren. Die Nachfolge-Firma MAG IAS sucht gegenwärtig nach Käufern für das Gelände. Zwar stehen etliche Hallen unter Denkmalschutz, dennoch gibt es offenbar Interessenten. Was dann aus den tonnenschweren Maschinen wird, ist offen.

Selbst Uhingen schüttelt den Kopf über OB Till

Das Desinteresse des OB hat im Verein Eindruck hinterlassen. „Für mich ist das die maximale Möglichkeit, Ehrenamt zu missachten“, sagt Goelz. Teile des Gemeinderats sehen das ganz ähnlich. Der OB scheine sich nur für solche Art der Historie einsetzen zu wollen, „die er persönlich als massenkompatibel“ einschätze, ätzte der SPD-Fraktionschef Armin Roos. Ähnlich äußerten sich Grüne und Freie Wähler. Und sogar jenseits der Stadtgrenzen erntete der Göppinger Oberbürgermeisters Kopfschütteln. Die Sammlung des Technikforums käme doch wie gerufen, um sie bei den gemeinsamen Heimattagen zu präsentieren, hieß es im Uhinger Gemeinderat. Im Jahr 2020 soll das Landesfest zwischen Ebersbach und Eislingen gastieren und unter anderem das industriekulturelle Erbe des Filstals hochhalten.

Solche Kritik hört der OB nicht gern, und so relativiert er mittlerweile seine Äußerung. Man habe sich ja noch gar keine gemeinsame Position innerhalb der Stadtspitze zu dem Thema bilden können, beschwichtigt Till. Dies soll nun unter Einbeziehung des Gemeinderats nachgeholt werden. Auf Antrag von SPD, Grünen und Freien Wählern wird Goelz am 18. Juni vor dem Gremium sprechen dürfen.

Fehlt dem Rheinländer Sinn für schwäbische Technik?

Wer wissen will, um was es geht, kann sich die Kostbarkeiten aus Göppingens Industriegeschichte am Samstag noch einmal ansehen. Ob auch der OB kommt? Für seine beiden Buben im Vorschulalter dürfte die Schau vielleicht noch nicht das Richtige sein. Der Herr Papa kann aber bestimmt etwas lernen – zumindest, wenn stimmt, was der SPD-Chef Roos sagt: Till betone zwar gern, dass seine alte Heimat in Nordrhein-Westfalen auch eine große industrielle Historie aufzuweisen habe. In seiner neuen Heimat Göppingen, so Roos, scheine der OB diese aber „nicht durchgehend als so gewichtig einzuschätzen und zu würdigen“.

Mit einer Niederlage fing es an

Das Technikforum ist 1978 von Oberbürgermeister Herbert König gegründet worden. Er wollte für die Ansiedlung eines Landestechnikmuseums werben. Das Technoseum wurde auch realisiert – allerdings in Mannheim.

Danach wurde der Vereinszweck weiter gefasst. Fortan sollte die Bevölkerung mit Vorträgen, Exkursionen und einem Schülerpreis für technische Themen interessiert werden. Man begann Exponate für ein lokales Technikmuseum zu sammeln.

Zu spät für den Krieg

Die meisten Stücke stammen aus einer alten Werkstatt bei München, die 2006 mit Hilfe von Boehringer- und Schuler-Lehrlingen leer geräumt werden konnte. Darunter befindet sich eine Revolverdrehbank, mit der Munition für den Ersten Weltkrieg hergestellt werden sollte. Doch dazu kam es nicht. Als Boehringer die Maschine 1918 lieferte, hatte das Reich schon kapituliert.