Obwohl die Zahl der Gottesdienstbesucher schrumpft, sind Verkäufe von Kirchen selten. In Württemberg bahnt sich nun der zweite Fall in 13 Jahren an.

Göppingen - Voller Erwartung sehen die Vertreter der syrisch-othodoxen Gemeinde St. Jakob dem neuen Jahr entgegen. Von Januar an können die rund 300 Familien rund um den Göppinger Pfarrer Melki Teber die evangelische Kirche im Göppinger Bodenfeld ihr Eigen nennen. Es ist der erste Kirchenverkauf im evangelischen Kirchenbezirk Göppingen und nach dem Verkauf der Nikolauskirche 2001 in Waiblingen erst der zweite in der gesamten Württembergischen Landeskirche. Zu dem Verkauf kommt es, weil die evangelische Gemeinde in dem Stadtteil stark geschrumpft ist und der Unterhalt für das große Gotteshaus zu teuer wurde, erläutert der Göppinger Dekan Rolf Ulmer.

 

Nur noch 20 Gläubige im Gottesdienst

Der Rückgang der Gläubigen im evangelischen Kirchenbezirk Göppingen beschert auch der Martin-Luther-Kirche im Bodenfeld immer häufiger fast leere Bänke. Dass die Zahl der Protestanten pro Jahr um 600 bis 700 sinke, habe vor allem demografische Gründe, sagt Ulmer. „An einem durchschnittlichen Sonntag haben wir gerade mal noch 20 Menschen im Gottesdienst“, beschreibt der Pfarrer Ekkehard Käss die Misere in der stark alternden Gemeinde.

Eine Kirche für 4000 Menschen

Das sah in den 50er Jahren noch ganz anders aus. Damals lebten im Bodenfeld rund 3500 Protestanten, weshalb die neue Martin-Luther-Kirche bei ihrer Fertigstellung im Jahr 1956 auch für rund 4000 Gläubige ausgelegt worden war. „Ein bisschen größenwahnsinnig“, nennt das Pfarrer Käss im Rückblick. Auch wenn der Stadtteil nach dem Krieg durch den starken Wohnungsbedarf von den Bevölkerungszahlen her tatsächlich im Aufwind lag, zählt die Kirchengemeinde heute nur noch 750 Köpfe.

Vor 20 Jahren wurde der Kirchenraum verkleinert

Im Bodenfeld deutet sich inzwischen ein Generationenwechsel an und junge Familien ziehen in die Häuser aus den 50er und 60er Jahren, aber davon ist in der alteingesessenen Kirchengemeinde fast nichts zu spüren. Auch nicht bei den Konfirmanden, deren Zahl seit Jahren zwischen vier und zehn schwankt. Vor knapp 20 Jahren ist die Kirche umgebaut worden, um den großen Kirchenraum, der jetzt mit einer mobilen Wand versehen ist, als Gemeindesaal abtrennen zu können. „Der hat genau die richtige Größe für unsere Bedürfnisse“, meint Käss.

Wenn die Wohnbau Göppingen in einigen Jahren das ehemalige Gelände der Gärtnerei Berner überbauen wird, möchte die Martin-Luther-Gemeinde dort ihren neuen Gemeindesaal eröffnen und mit dem Kindergarten umziehen. „Eine Glocke und einen Turm werden wir dort nicht mehr haben“, räumt der Dekan ein, aber auch mit dieser Besonderheit hätten sich die Gemeindemitglieder offenbar längst abgefunden, bestätigt auch der Vorsitzende des Kirchengemeinderates, Roland Lehr.

Kein alltägliches Geschäft

Vor sieben Jahren scheiterte der erste Verkaufsversuch

Weil so ein Kirchenverkauf kein alltägliches Geschäft ist und der erste Verkaufsversuch vor sieben Jahren am Widerstand der Gemeindemitglieder scheiterte, habe man diesmal alles besonders gut vorbereitet, beschreibt Ulmer den Prozess, der ihm einiges Kopfzerbrechen bereitet habe. Mithilfe eines Gutachtens sei man sich mit der syrisch-orthodoxen Gemeinde über den deutlich unterm Marktwert liegenden Preis schnell handelseinig geworden.

Für rund zwei Jahre wollen sich die Martin-Luther- und die syrisch-orthodoxe Gemeinde die Kirche und das Gemeindezentrum noch teilen. Die Protestanten treten bis zu einem Umzug als Mieter auf. Auch der evangelische Kindergarten soll mindestens so lange in dem Gebäude bleiben. „Unsere Türen sind offen, wir waren ja selbst lange Gast“, kommentiert Elias Cello, der Sprecher der neuen Eigentümer, die künftige Zusammenarbeit. Zusammen mit anderen Gemeindemitgliedern und Pfarrer Teber sprach er von einem riesigen Schritt und bedankte sich für das Vertrauen der Martin-Luther-Gemeinde. Und für Dekan Ulmer steht fest, dass hier Ökumene wirklich gelebt wird.

Kirchen-Umnutzungen gibt es schon seit Jahrzehnten

Syrische Gemeinden

Im Kreis Göppingen gibt es derzeit drei syrisch-orthodoxe Gemeinden mit rund 2500 Gläubigen. Die beiden größten Gemeinden gruppieren sich in Göppingen um die Pfarrer Melki Teber und Habip Önder. Bisher treffen sich diese Christen, die ursprünglich aus dem Nahen Osten, aus Syrien, dem Irak und der Türkei stammen, in den evangelischen und katholischen Gotteshäusern in Faurndau, Eislingen und Uhingen. Landesweit gibt es bis zu 15 000 syrisch-orthodoxe Christen.

Umnutzung

Schon seit rund 40 Jahren sind syrisch-orthodoxe Christen in der evangelischen Kirche in Bartenbach Mieter, und bereits 1966 wurde die zu klein gewordene evangelische Kirche in Jebenhausen aufgegeben. Heute befindet sich darin das Jüdische Museum Göppingen. Die Stadtkirche am Göppinger Schlossplatz wird für Konzerte und Ausstellungen genutzt, die Gottesdienste feiert man in der Oberhofenkirche.