Lange hat Götz George gezögert, jetzt spielt er seinen Vater Heinrich, den berühmten Schauspieler.

Berlin - Das Gesicht ist dreckig, die Haare kurz geschoren, die Ringe unter den Augen sind unübersehbar, der markante Bart ist abrasiert. In einem alten, durchlöcherten Mantel sitzt Götz George am Tisch. Sein Blick schweift ins Leere. Er spielt die wohl schwerste Rolle seines Lebens: seinen Vater Heinrich, ein Ausnahmetalent zwischen Ruhm und Verachtung, in dem viele einen Jahrhundertschauspieler sahen. Heinrich George ist 1946 mit 52 Jahren im sowjetischen Gefangenenlager Sachsenhausen bei Berlin gestorben.

 

Im Mittelpunkt des Fernsehfilms „George“ stehen die letzten Lebensjahre des Schauspielers Heinrich George, der 1893 geboren wurde. Das Drama befasst sich mit dem Thema der Schuld und der Verantwortung des Künstlers während der NS-Zeit in Deutschland. In dokumentarischen Archivaufnahmen, Interviews und Spielszenen nähert sich das Dokudrama dem nicht unumstrittenen Schauspieler. Es zeigt die Faszination, die von Georges elementarer Gestaltungskraft ausging. „Ebenso die Widersprüche in seiner Person, die einen exzentrischen, hochsensiblen und gefährdeten Charakter hinter der wuchtigen Erscheinung sichtbar werden lassen“, sagt der Regisseur Joachim Lang, der zusammen mit Kai Hafemeister das Buch geschrieben hat.

Seit Mitte vergangenen Monats wird gedreht. Die Aufnahmen an den Originalschauplätzen in Berlin, Heidelberg und Düren (Nordrhein-Westfalen) sind bereits im Kasten. Derzeit stehen die Kameras in Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Genauer gesagt in der ehemaligen Soldatensiedlung „Altes Lager“, die an den inzwischen ausrangierten Truppenübungsplatz grenzt. Die alten Baracken sehen noch aus wie vor hundert Jahren. Beste Voraussetzungen, dort die letzten 15 Monate im Leben von Heinrich George nachzustellen.

Repräsentant der NS-Kulturpolitik

Der Schauspieler war im Juni 1945 als „Repräsentant der nationalsozialistischen Kulturpolitik“ vom sowjetischen Geheimdienst Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten verhaftet worden. Zuerst kam er ins ehemalige Konzentrationslager Hohenschönhausen, bevor ihn die Sowjets ins Speziallager Sachsenhausen steckten.

Achtzig schlanke Komparsen, mit kurzem Haarschnitt und in alte Kleidungsstücke gepackt, bevölkern den Filmset. Götz George ist mittendrin. Er fällt in seinen abgewetzten Klamotten überhaupt nicht auf. Für eine kurze Pressekonferenz unterbricht er die Dreharbeiten. Fragen dürfen gestellt werden, fotografieren lässt sich der 74-Jährige an diesem Tag aber nicht.

Fünfzehn Jahre lang versuchten verschiedenste Filmemacher, ihn für diese Rolle zu bekommen. Erst Joachim Langs Buch, der zwei Jahre lang recherchierte, hat ihn überzeugt, die Rolle seines Lebens zu spielen. „Es ist für mich ein besonderer Film“, gesteht George, obwohl er sich manchmal fragt, ob dieses Dokudrama überhaupt jemanden interessiert. „Die meisten kennen meinen Vater doch gar nicht mehr“, glaubt er zu wissen.

Man sieht Götz George an, dass die Dreharbeiten nicht spurlos an ihm vorbeigehen. „Ich bin erschöpft, die Dreharbeiten sind sehr, sehr anstrengend“, räumt der ehemalige Schimanski-Darsteller ein.

Vater starb in Haft

„Politisch interessiert mich der Film nicht, mich interessiert der Mensch, der dahintersteckt. Und die künstlerische Aufarbeitung “, sagt Götz George. Als Siebenjähriger hat er am 6. Dezember 1945 seinen Vater Heinrich in Hohenschönhausen zum letzten Mal gesehen. Neun Monate später starb er an den Folgen der schlechten Haftbedingungen.

Große Erinnerungen an seinen Vater hat der 74-Jährige nicht mehr. Das meiste über ihn erzählte ihm seine Mutter, die Schauspielerin Berta Drews, die 1987 gestorben ist. Wäre es nach ihrem Mann gegangen, wäre ihr Sohn heute Chirurg oder Musiker. „Ein Genie in der Familie reicht, hat mein Vater einmal gesagt“, lacht Götz George und schaut zu Burghart Klaußner, mit dem er schon für das TV-Drama „Der Novembermann“ vor der Kamera stand.

In „George“ spielt Klaußner Heinrichs letzten Weggefährten Helmut Maurer. Im Internierungslager studieren sie den „Postmeister“ auf russisch ein und führen das Stück mehrmals vor Soldaten der Roten Armee auf. Für Burghart Klaußner ist Heinrich George „der größte deutsche Schauspieler des letzten Jahrhunderts“.

„Vor allen Dingen die Genauigkeit und die Verantwortlichkeit, mit der sich Götz George in das Leben seines Vaters hineinfühlt, beeindrucken mich“, sagt der Produzent Nico Hofmann („Rommel“, „Dresden“, „Der Turm“). Seine Firma Teamworx produziert zusammen mit dem SWR den Fernsehfilm, den Arte und die ARD voraussichtlich Mitte 2013 ausstrahlen. Gefördert wird „George“ vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen.