Internetgiganten wie Google oder Apple sind innovativ und schieben das Wachstum an. Doch es mehren sich Klagen über unfaire Tricks der Unternehmen. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger untersucht, wie Europa bei der digitalen Plattform-Wirtschaft nicht weiter abgehängt wird.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Ihr Aufstieg ist atemberaubend: Unter den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt belegen die Superstars der Internet-Ökonomie die ersten sechs Plätze. Apple, Google, Microsoft und Amazon sind am teuersten, und auf Platz sechs folgt dann schon Facebook. Google, Facebook und Amazon haben im Juli Rekordergebnisse bei Umsatz und Gewinn verkündet. Und Apple ist trotz eines kräftigen Umsatzrückgangs immer noch das wertvollste Unternehmen der Welt. Ökonomen bringen für das Internet-Phänomen bereits die Chiffre GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) ins Gespräch. Diese schnell wachsenden, hoch innovativen und extrem profitablen Internetgiganten haben etwas gemeinsam: Sie gehören zu den digitalen Plattformen, die man sich als große Drehscheiben des Internets vorstellen muss und viele zentrale Knotenpunkte weltweit kontrollieren.

 

Laut einer Studie, die die Denkfabrik ie.foundation zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger am Montag in Berlin vorstellen wird, ist Europa vom wirtschaftlichen Erfolg der Plattform-Wirtschaft weitgehend abgehängt. Nur 27 von 176 digitalen Plattformen weltweit haben demnach ihre Heimat auf dem alten Kontinent. 82 sind in Asien beheimatet. Allein 44 Spieler der weltweiten Plattformwirtschaft sitzen in der Bay Area im US-Staat Kalifornien. Wenn man sich den Börsenwert der Unternehmen anschaut, wird noch deutlicher, wie die Dinge stehen: 50 Prozent des Börsenwertes der weltweiten Plattform-Wirtschaft sind im Silicon Valley angesiedelt. Europa ist weitgehend zum Absatzmarkt der Internetgiganten mutiert: Beim Herunterladen von Apps liegt Europa vor den USA, aber hinter China.

Der Verbraucher profitiert, weil die Preise fallen

Ökonomen sind sich einig, dass die Plattform-Wirtschaft riesige wirtschaftliche Chancen birgt. So werden die im Vergleich zu Europa höheren Wachstumsraten der US-Wirtschaft auch mit der sich dynamisch entwickelnden Internetwirtschaft in Amerika erklärt. Deutschlands Wirtschaftsleistung legte zwischen 1995 und 2015 jedes Jahr um durchschnittlich 1,3 Prozent zu, der Vergleichswert der USA liegt bei 2,4 Prozent. Auch der Verbraucher profitiert, weil die Preise für viele Produkte, die im Netz bestellt werden, fallen. Der finanzielle Vorteil für die 500 Millionen Verbraucher in der EU wird auf eine Milliarde Euro im Jahr geschätzt. Youtube und Facebook etwa verursachen weltweit inzwischen ein Drittel des Datenverkehrs. Mikrosoft und Amazon betreiben rund um den Globus bereits über eine Million Server. Social Media-Kanäle wie Facebook erreichen 29 Prozent der Weltbevölkerung. Kein großes Unternehmen der „old economy“ kann es sich mehr leisten, auf Social Media als Vertriebskanal zu verzichten. Doch es gibt auch immer mehr Klagen darüber, dass Google und Co. ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzten. Die oberste Wettbewerbshüterin der EU, Margrethe Vestager, wirft Google vor, sich Konkurrenz mit unlauteren Methoden vom Hals zu schaffen. Der Konzern Alphabet/Google etwa hat über die Suchmaschine und das Smartphone-Betriebssystem Android in zwei wichtigen Marktbereichen eine monopolartige Stellung. Google wird vorgeworfen, dass bei jedem Android-Handy viele Google-Apps bereits fest vorinstalliert sind. Der Käufer hat also kaum Wahlfreiheit, wenn er erst mühsam über mehrere Programmierungsschritte die Google-Apps abschalten muss, bevor die Konkurrenz zum Zuge kommen kann. Auch Apple steht in der Kritik, wegen seiner Vergütungsmodelle im App-Store: Apple kassiert 30 Prozent Provision bei jedem Verkauf im App-Store. Gleichzeitig verbietet das Unternehmen allen Entwicklern einer App, die Kunden auf alternative, also billigere Vertriebswege hinzuweisen.

EU-Kommission ist alarmiert

EU und nationale Regierungen sehen Handlungsbedarf und bereiten schärfere Gesetze vor. So will etwa die EU-Kommission bis Herbst nächsten Jahres Gesetzesvorschläge für die Plattformwirtschaft vorlegen. „Es geht um die Aus- und Umgestaltung unserer sozioökonomischen Ordnung im digitalen Zeitalter“, heißt es in der Studie, die der in Berlin lebende US-Internet-Experte Clark Parsons mitverfasst hat. Die 92 Seiten umfassende Untersuchung mahnt einerseits den Gesetzgeber, maßvoll vorzugehen. Die EU dürfe nicht abgehängt werden, Überregulierung schade. Die EU-Kommission setzt auch große Hoffnungen auf die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes. Dadurch soll zusätzlich ein Anteil von 415 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt der EU geschaffen werden.

Die Studie fordert andererseits aber auch ein härteres Vorgehen gegen Monopole. Die Autoren bemängeln, dass es eine Schutzlücke bei der Fusionskontrolle gibt. Bevor die Kartellwächter überhaupt prüfen, müssen nämlich bestimmte Umsatzschwellen auf beiden Seiten überschritten werden. „Erfolgreich gegründete und schnell wachsende Internetdienste weisen üblicherweise nur geringe Umsätze, aber wertvolle Datenbestände auf, die durch Marktführer bislang ohne behördliche Kontrolle aufgekauft werden dürfen.“ Das müsse geändert werden. Auch bei den Geschäftspraktiken müsse es gesetzliche Klarstellungen geben. Bei Suchdiensten sei dafür zu sorgen, dass sie die Verbraucher nicht bewusst täuschen dürfen oder gar, weil sie dafür bezahlt werden, ihnen „irrelevante Vorschläge“ machen. Zudem bringt die Studie ein Verbot für Vorinstallationen ins Gespräch. Es sei bedenklich, wenn bei mobilen Endgeräten bestimmte Apps vorinstalliert seien. Nutzer würden dadurch bevormundet, sie entschieden sich nicht aus Überzeugung für bestimmte Produkte, sondern aus Bequemlichkeit.