Das Imperium schlägt zurück: Google betreibt Propaganda gegen das geplante Leistungsschutzrecht. Die Politik sieht das Engagement des Konzerns kritisch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Seite mit den sechs bunten Buchstaben wird allein in Deutschland täglich Hunderte von Millionen Mal angeklickt. Bei jedem dieser Klicks erscheint seit Dienstag unter dem Firmenlogo mit den zwei „o“ eine Parole. Die klingt so, als gehe es darum, die virtuelle Welt zu retten. „Willst Du auch in Zukunft finden, was Du suchst?“ werden die Besucher der meistgenutzten aller Internetseiten gefragt. Dem schließt sich ein Appell an: „Mach’ mit: Verteidige Dein Netz“

 

Wer diesem Aufruf folgt und dem mit ihm verknüpften Link, wird auf eine Propagandaseite umgeleitet. Google hat den Kampf gegen die Bundesregierung eröffnet. Die hat Ende August einen Gesetzesentwurf für ein sogenanntes Leistungsschutzrecht auf den Weg gebracht. Im Kern geht es darum, dass Suchmaschinen bezahlen sollen, wenn sie Zeitungstexte weiterverbreiten. Heute befasst sich der Bundestag erstmals mit der Angelegenheit. Pünktlich zur ersten Lesung des Gesetzes schlägt das Imperium zurück. Google führt sich auf wie ein Robin Hood des freien Internets. „Warum das Gesetz allen schadet und niemandem nützt“, kann man sich zum Beispiel von den Propagandisten des Konzerns erzählen lassen.

Das Internet ist kein Supermarkt

Die Erfinder des Gesetzes sehen das naturgemäß anders. Die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, deren Experten das Paragrafenwerk verfasst haben, zeigt sich erstaunt, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen versuche, die Meinungsbildung zu monopolisieren. „Google vereinnahmt Internetnutzer für eigene Lobbyinteressen“, wettert Günter Krings, der als Fraktionsvize der Union für das heikle Thema verantwortlich zeichnet. Die von Google initiierte Kampagne sei reine Stimmungsmache. Es sei „ein bemerkenswerter Vorgang, dass ein Unternehmen die Öffentlichkeit für seine eigenen wirtschaftlichen Interessen einspannt“. Der Christdemokrat nennt diese Art der PR „eine neue, bisher nicht gekannte Form des Lobbyismus“.

Der Konflikt zwischen den Presseverlagen und der Suchmaschinenindustrie schwelt schon seit Jahren. Google & Co führen sich auf, als sei das Internet ein großer Supermarkt, in dem mit fremden Produkten eine Menge Geld zu verdienen ist – ohne dass die eigentlichen Urheber daran beteiligt würden. Das ist ein Geschäftsprinzip, das sich die Piratenpartei ausgedacht haben könnte. Es funktioniert zu Lasten Dritter. Denn die gratis offerierten Suchergebnisse sind zu einem Großteil nicht kostenlos entstanden. Sofern es sich um Textmaterial aus Zeitungen und Zeitschriften handelt, haben andere dafür bezahlt: die Verlage und deren Kunden. Nach zähen Verhandlungen hat das Bundeskabinett nun ein Gesetz vorgelegt, das die Interessen der Verlagsbranche wahren soll. Das neue Leistungsschutzrecht verpflichtet Suchmaschinen, die auf verlegerische Angebote im Internet zugreifen, dafür Lizenzgebühren zu entrichten. In welchem Umfang diese Google-Steuer realisiert werden kann, steht allerdings noch in den Sternen.

Streit um Milliardenerlöse

„Mit dem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass es für Qualitätsjournalismus in unserem Land auch im Internet einen ausgeglichenen Wettbewerb gibt“, argumentiert der CDU-Rechtspolitiker Krings. Er und seinesgleichen müssen sich auf einen Shitstorm einrichten. Google tut alles dafür. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Deutschlandkarte ins Netz gestellt, mit deren Hilfe die um ihre virtuelle Freiheit besorgten Nutzer die für sie zuständigen Abgeordneten finden können.

Gestritten wird letztlich um die Milliardenerlöse, die sich beim Geschäft mit Onlinewerbung auf Suchseiten erwirtschaften lassen. Die Verlage profitieren einerseits davon, dass Google News, Commentarist oder vergleichbare Netzanbieter auf ihre Texte verweisen. Andererseits verdient diese Secondhandindustrie mit der Aufbereitung der Texte Geld, während die Verlage die Kosten vorfinanziert haben – etwa die Honorare der Autoren.

Qualitätsjournalismus hat seinen Preis

„Google missbraucht seine marktbeherrschende Stellung für eigene Interessen“, kritisiert der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Von „Panikmache“ ist die Rede. Es sei doch übliches Geschäftsgebaren, „dass jemand, der einen Inhalt gewerblich nutzt, auch dafür bezahlt“. Schützenhilfe leistet der Deutsche Journalistenverband. Dessen Vorsitzender Michael Konken rügt: Google male „aus sehr durchsichtigen Gründen schwarz“. Die Internetindustrie müsse akzeptieren, dass Qualitätsjournalismus seinen Preis habe.

Muss Google-Chef Eric Schmidt bereits einen Offenbarungseid leisten? In dieser Pose zeigt ihn eine Zeitungsanzeige, welche die Frage aufwirft: „Kann man Google vertrauen?“ Die Antwort wird auch gleich mitgeliefert. Das Inserat verweist auf unlautere Geschäftspraktiken, die dem Netzgiganten angelastet werden. „Gegen Google laufen Untersuchungen auf vier Kontinenten und in sechs US-Bundesstaaten“, heißt es dort. Hinter dem Slogan „Fair search Europe“, der die anklägerische Annonce ziert, verbirgt sich ein umfassendes Konsortium von Firmen, die im Internet ihr Geld verdienen. Die Google-Konkurrenten attackieren den Monopolisten mit den gleichen Methoden, mit denen er sich selbst bedient. Für beides gilt, was in der Anzeige auch zu lesen ist: „Niemals blind vertrauen.“