Thomas Gottschalk verlässt das ZDF endgültig und führt von Januar an viermal pro Woche für die ARD am Vorabend durch eine „Tagesshow“.  

Stuttgart - Bei Günther Jauch hat es über vier Jahre gedauert, ehe der Wechsel zur ARD endlich feststand; bei seinem Freund Thomas Gottschalk nicht mal vier Wochen. Nach der Mallorca-Show und dem Ende der "Wetten, dass..?"-Saison hatte sich der Moderator zur Bedenkzeit an den Fuß des Himalaja zurückgezogen, um zu entscheiden, ob er dem ZDF die Treue halten oder dem Lockruf des Ersten erliegen soll. Nun ist es raus: Gottschalk kehrt zu seinen Wurzeln zurück. Ab Januar wird er sich viermal pro Woche am Vorabend "mit den unterhaltsamen Themen des Tages beschäftigen", wie die ARD mitteilt. In der halbstündigen Liveshow wird Gottschalk Gäste aus den Bereichen Lifestyle, Entertainment und Kultur empfangen und das aktuelle Zeitgeschehen mit zugeschalteten Experten diskutieren.

 

1971 hatte Thomas Gottschalks Karriere als freier Mitarbeiter des Jugendfunks beim Bayerischen Rundfunk angefangen. Vierzig Jahre später schließt sich der Kreis, ganz ähnlich übrigens wie bei Jauch: Von 1985 bis 1989 haben beide gemeinsam durch die B3-Radioshow geführt. Kein Wunder, dass sich Thomas Gottschalk durch die Rückkehr zur ARD an seine Radioanfänge erinnert fühlt: "Immerhin habe ich insgesamt mindestens zehn Jahre meines Lebens täglich vor dem Mikrofon gesessen."

Immer wieder hagelte es Kritik an Gottschalk

Konzeptionelle Details der neuen Sendung müssen noch erarbeitet werden. Gottschalk selbst sagt dazu: "Der Ernst des Lebens gehört in die ,Tagesschau'. Aber es gibt ja Gott sei Dank neben Politik, Seuchen und Finanzkrisen auch noch den ganz normalen täglichen Wahnsinn. Für den bin ich in Zukunft zuständig. Ich freue mich auf meine ,Tagesshow' und fühle mich der Herausforderung durchaus gewachsen", so Gottschalk.

Während Jauch auch weiterhin für RTL beispielsweise "Wer wird Millionär?" moderieren wird, zieht Gottschalk mit seinem Wechsel einen Schlussstrich unter seine ZDF-Karriere, die immerhin fast dreißig Jahre gedauert hat: Von 1982 an hatte er im Zweiten die Musiksendung "Thommys Popshow" sowie die Talk- und Musikshow "Na so was!" präsentiert, ehe er dann 1987 von Frank Elstner "Wetten, dass..?" übernahm. Die größte Show Europas machte ihn zum beliebtesten deutschen Fernsehmoderator. Gottschalk hatte regelmäßig Zuschauer in Größenordnungen, wie es sie mittlerweile nur noch bei wirklich wichtigen Fußballspielen gibt. Als sich RTL jedoch entschloss, mit seinem Flaggschiff "Deutschland sucht den Superstar" auf direkten Konfrontationskurs zu gehen, bröckelten die Quoten. Immer öfter war zu lesen, Gottschalk moderiere uninspiriert, interessierte sich nicht für die Wettkandidaten und blühe bloß noch auf, wenn er mit Weltstars plaudern könne.

Und dann kam der 4. Dezember...

Und dann kam der 4. Dezember letzten Jahres, als sich Samuel Koch beim Versuch, über fahrende Autos zu springen, so schwer verletzte, dass er womöglich nie wieder gehen kann. Die Show wurde abgebrochen. Auch damals hat sich Gottschalk eine Bedenkzeit genommen. Zwei Monate später verkündete er seinen Abschied von "Wetten, dass..?": Er wolle "nicht weitermachen, als wäre nichts passiert". Für ihn liege jetzt ein Schatten auf der Sendung. Dreimal wird er die Show noch moderieren: Weil "Wetten, dass..?" in diesem Jahr dreißig Jahre alt wird, gibt es nach der Sommerpause mehrere Rückblickausgaben. Das ZDF wird sich anschließend viel Zeit lassen, um einen Nachfolger zu finden.

Gottschalk dagegen gönnt sich nur eine kurze Auszeit: Am 3. Dezember wird er in Friedrichshafen am Bodensee zum letzten Mal "Wetten, dass..?" präsentieren, gut vier Wochen später wird er schon vor den ARD-Kameras stehen. Und wenn er schon mal da ist, dürfte sich bestimmt auch die eine oder andere Verwendung im Hauptabendprogramm finden. Wie das aussehen könnte, ist zwar Spekulation, aber auch keine Kaffeesatzleserei. Maßgeblichen Anteil an der prominenten Neuverpflichtung dürfte der MDR-Intendant Udo Reiter haben. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Zeiten beim Bayerischen Rundfunk, wo Reiter Mitte der Achtziger Hörfunkdirektor war. Weiß man dann noch, dass der MDR regelmäßig festliche Spendengalas wie etwa die "José Carreras Gala" zum Programm des Ersten beisteuert, kann man sich lebhaft vorstellen, dass Gottschalks Wirken für die ARD nicht lange auf den Vorabend beschränkt bleiben wird, zumal Harald Schmidt nach seinem Wechsel zu Sat 1 als Moderator nicht mehr zur Verfügung steht.

Am Vorabend hat die ARD jetzt jedoch ein Luxusproblem. Gerade erst hat man diverse 45 Minuten lange Krimiserien in Auftrag gegeben, die von Herbst an im Anschluss an die ebenfalls auf 45 Minuten verlängerte tägliche Soap "Verbotene Liebe" gezeigt werden. Wenn Gottschalks Sendung eine halbe Stunde dauert, käme man auf eine Nettozeit von 120 Minuten. Damit wäre der Zeitraum zwischen 18 und 20 Uhr jedoch ausgefüllt, die Werbeblöcke hätten keinen Platz mehr.

Schluss macht Gottschalk mit der 199. Ausgabe

Die Federführung für die Vorabendshow liegt beim WDR. Produziert wird die Show von der Kölner Grundy Light Entertainment, jener Firma, deren RTL-Produktion "DSDS" dazu führte, dass die Quoten von "Wetten, dass..?" seit Jahren stetig gesunken ist. Mitarbeiter des Unternehmens basteln derzeit gemeinsam mit Gottschalk am Konzept. Fest steht bereits, dass sich die Zuschauer über Internet aktiv an der Sendung beteiligen sollen und zum Beispiel via Twitter, Facebook oder Skype direkt an den Diskussionen teilnehmen können.

Beim ZDF hat man Gottschalks Wechsel naturgemäß mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Der Intendant Markus Schächter verweist auf die "jahrzehntelange erfolgreiche Symbiose" zwischen dem ZDF und seinem Star. Er hätte die Zusammenarbeit gerne fortgesetzt, aber: "Leben bedeutet auch Veränderung."

Bevor Thomas Gottschalk das ZDF Richtung ARD verlässt, soll er noch mal ordentlich Quote fürs Zweite machen. Mit knapp 12,5 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von fast 43 Prozent hatte die Mallorca-Ausgabe Mitte Juni an alte "Wetten, dass..?"-Zeiten angeknüpft. Die drei letzten Sendungen mit Gottschalk stehen ganz im Zeichen des dreißigjährigen Bestehens der Show. Schluss macht er dann im Dezember ausgerechnet mit der 199. Ausgabe, aber ein Jubiläum kann er trotzdem noch feiern: Sein vorletzter Auftritt am 5. November in Leipzig wird die 150. Moderation der Sendung sein.

Gottschalk über Gottschalk

"Rücktrittsgedanken hatte ich die letzten zehn Jahre jeden Montag, wenn ich meine Kritiken gelesen habe, die hatten sich aber bis Mittwoch dann wieder gelegt." Gottschalk auf die Frage, ob er auch vor dem Unfall schon mal ans Aufhören gedacht habe.

"Ich will, dass möglichst viele Menschen zuschauen, ob die sieben oder siebzig sind, ob die sehen können oder nicht, ob die grenzdebil oder hochintellektuell, arbeitslos oder Millionäre sind, ist mir so was von wurscht." Thomas Gottschalk über seine Zielgruppe

",Wetten, dass..?' ist ein Kindergeburtstag, da platzen Luftballons, da gibt es Würstchen, man muss sich am Montag keine Gedanken mehr darüber machen. Ich bin so einfach zu begreifen. Ich bin seit dreißig Jahren der Gleiche. Ich erzähl den gleichen Scheiß und mache die gleiche Sendung." Thomas Gottschalk zur beständig mäkelnden Kritik an seiner Sendung.