Die Grafikdesignerin Christina Schmid aus dem Stuttgarter Westen und ihre Oma Heidi Schmid haben eine Biografie in Rezepten verfasst. Jetzt suchen die beiden Frauen Sponsoren für ihr gemeinsames Projekt.

S-West - Es war diese anrührende Liebesgeschichte, die Christina Schmid bewog, ein Kochbuch zu schreiben – ein Kochbuch, das zugleich die Biografie ihrer Großmutter sein sollte. Die Geschichte beginnt um 1960 auf einem ärmlichen Hof im bayerischen Wald. Die Zellners besitzen ein paar Kühe, Schweine und Hühner, sie bauen Rüben und Getreide an, führen eine karge Selbstversorgerexistenz. Die Arbeitstage beginnen, wenn es draußen noch Nacht ist. Heidi ist das zweitälteste von vier Kindern, ein mageres Mädchen. Sie muss mit der Gabel das Heu fürs Vieh in eine Karre wuchten, waschen, putzen, körbeweise geerntete Rüben vom Feld schleifen. Beim Abendessen hat sie Mühe, sich aufrecht zu halten. Sie hasst die Plackerei. Sie hätte gern ein komfortableres Leben. Doch der Vater hat ihre Zukunft schon gespurt. „Er sagte, es gebe im Dorf genug Bauern, bei denen ich eine Existenz hätte. Ich müsste mich nicht sorgen um mein Einkommen, Auskommen, Fortkommen, Ansehen als Bäuerin.“ Doch eines Tages geschieht das Unerwartete.

 

Die Kochbiografie der 30-jährigen Grafikdesignerin aus dem Stuttgarter Westen schildert, wie es ihrer Oma trotzdem gelingt, der Armut und Enge zu entfliehen. Die Geschichte hat die Enkelin so angerührt, dass sie der Oma eines Tages ein liniertes Buch mitbrachte, worin sie alles aufschreiben sollte– die Kindheit in Bischofsmais, wie sie den Opa kennen lernte und wie alles weiterging. Doch, was die Großmutter so farbig und lebhaft beim Kochen erzählt, vermag sie nicht zu Papier zu bringen. Es fehlen die sinnlichen Eindrücke, die ihre Erinnerung wecken – die Kartoffeln und Karotten in der Hand, deren Geruch und schrundige Oberflächen die Erlebnisse erst wieder ins Bewusstsein holen. „Die Erinnerungen meiner Großmutter haben oft mit Lebensmitteln zu tun, weil das ganze Tagwerk in der Landwirtschaft ja mit Essen zu tun hatte – insbesondere in jenen Nachkriegsjahren“, ist die Enkelin überzeugt. Die Wertschätzung von Essen fasziniert sie dabei:  „Meine Oma weiß genau, wie viel Arbeit etwa in einem Brot steckt.“

Heidi Schmid wird Hausmädchen in Metzingen

Vielleicht würde sich Heidi Schmid gar nicht so gerne an all das erinnern, wenn sie es nicht irgendwann aus ihrem bayerischen Dorf herausgeschafft hätte. Heidi ist 17 Jahre alt, als sie über nachbarschaftliche Kontakte ein Stellenangebot als Hausmädchen in einer Metzgerei im schwäbischen Metzingen erhält. Unter Vorbehalten, zeitlich befristet und unter der Maßgabe, dass sie allenfalls sonntags ausgehen darf, lassen die Eltern sie 1961 ziehen. In Metzingen lässt die Liebe nicht lange auf sich warten. Die Metzgersfrau schickt das Mädel eines Tages Pergamenttüten holen. Aber das Fräulein im Laden schüttelt bloß den Kopf und geht jemanden holen, der Bayerisch versteht. Da tritt der Frieder aus dem Kontor. Unter teils aberwitzigen Bedingungen schaffen es die beiden, mal ins Kino zu gehen oder in die Eisdiele. „Er war der erste Mensch, der sich für mich interessiert hat“, sagt Heidi Schmid in einem der Küchendialoge der Kochbiografie.

Doch bald naht der September, Heidi muss heim zur Ernte. „Ich hatte versprochen, dass ich keinen Mann heimbringen würde.“ Sie hat eine Heidenangst davor, dem Vater zu beichten. Dann steht sie mit ihm auf dem Feld und erzählt von Frieder. „Für ihn war das ein Vertrauensbruch.“ Und dann brachte sie noch einen Schwaben an! Es ist nicht überliefert, wie vieler Engelszungen es bedurfte, bis der Frieder Schmid aus Metzingen schließlich eingeladen wurde, den Eltern seine Aufwartung zu machen. Nicht bloß die Heidi ist aufgeregt. Das Haus wird geschrubbt, Hemden gebügelt, Frau und Kinder zum Frisör geschickt. Endlich fährt er vor mit seinem Opel Rekord. „Fesch war er!“, schwärmt Heidi Schmid noch über 50 Jahre später.

Der Bräutigam zeigt Manieren und Humor

Frieder trägt Anzug und Krawatte, zeigt Manieren und Humor. Vor allem aber packt er bei der Ernte gleich mit an, dafür ist sich der Kaufmann nicht zu fein! Im Sturm hat der junge Mann die Herzen der Zellners erobert. Irgendwann darf er die Heidi heiraten und in sein Schwabenland mitnehmen. Für Heidi beginnt damit der zweite Teil ihrer Kochbiografie, nämlich der schwäbische. Maultasche, Buabaspitzle und Gaisburger Marsch treten in ihr Leben. Im Laufe der Jahrzehnte werden sie zahlreiche schmackhafte Kreuzungen eingehen und unterwegs den Ayurveda treffen.

Die Enkeltochter hat die Küchenkonversationen mit der Großmutter protokolliert. Die Dialoge leben von den Eigenheiten der mündlichen Erzählung, den wundersamen Wegen der Erinnerung mit ihren Sprüngen und Verweisen. Der Seitenrand navigiert zu den Rezepten, die in den Gesprächen vorkommen. Die Bilder der Berliner Fotografin Andrea Grützner zeigen nur die Hände der Frauen – schabend, schnippelnd, raspelnd. Auf kleineren Zwischenseiten sitzen Kochrezepte und Familienbilder. Es ist ein bibliophiles Kochbuch, das bislang nur als Prototyp existiert. Christina Schmid will den Druck per Crowdfunding finanzieren.

Sponsoren gesucht

Lesung
Mit kulinarischen Highlights aus Bayern und Schwaben kredenzen Christina und Heidi Schmid den Besuchern der Galerie AK2 ein genüssliches Wechselspiel aus Essen und Lauschen. Traditionelle Gerichte, die die Frauen nach Rezepten aus ihrem Buch „Oma Heidi – Kochbiografie in Gesprächen“ selbst zubereiten, werden umrahmt von Erzählungen und Dialogen, die sich beim Kochen entwickelten. Die Lesung findet am Freitag, 13. März, und Samstag, 14. März, jeweils um 19.30 Uhr statt, Lorenzstaffel 8 (ehemalige Bäckerei). Die Teilnahme kostet 15 Euro. Eine Anmeldung per E-Mail an info@galerie-ak2.de wird erbeten.

Schwarmfinanzierung
„Dieses besondere Buch möchte ich im Eigenverlag herausgeben, dafür setze ich auf die Unterstützung von Menschen, die das Kochen und Geschichten aus dem Leben lieben“, so die Autorin Christina Schmid. Bis 20. April kann man ihr Buchprojekt sponsern. www.startnext.com/omaheidi Für 30 Euro gibt es das Buch zum Vorverkaufspreis. Welchen Betrag man auch immer stiftet – mit leeren Händen steht man nie da. Für 100 Euro etwa gibt es zum Buch noch einen Maultaschen-Kurs mit Oma Heidi.