Klage, Trainer-Streit, schlaflose Nächte: Rasen kann im Fußball für Unruhe sorgen. Am besten wissen die Greenkeeper, was gut für den Rasen ist - und wie man vermeidet, dass er zur Stolperfalle wird.

Stuttgart - Ist es etwa der Rasen, der schuld ist am Bundesliga-Fehlstart des VfB Stuttgart? Nein - davon ist Ralf Wagner überzeugt. Er ist der Greenkeeper des schwächelnden Erstligisten und umsorgt den Rasen in der Mercedes-Benz-Arena; mäht, misst, bessert aus. „Wenn der VfB ein Spiel verlieren würde und der Rasen schlecht wäre, wäre das das Schlimmste für mich“, sagt der 49-Jährige.

 

Rasen ist ein Thema im Fußball - und kann auch schon mal für Streit sorgen. Bayern-Trainer Pep Guardiola mag ihn kurz, am liebsten auf 1,5 Zentimeter geschnitten und vor dem Spiel bewässert. Für Chelsea-Coach José Mourinho muss er trocken sein. Kürzlich fochten die beiden Trainer eine Diskussion darüber aus, wie in der spanischen Tageszeitung „As“ zu lesen war.

Wagner hat in den drei Jahren als Greenkeeper beim VfB seine eigenen Routinen entwickelt: Morgens um sieben beginnt der Schwabe seinen Arbeitstag mit „Abtauen“. Dabei streifen Wagner und sein Kollege mit einer Art Besen die feinen Tröpfchen und Spinnenweben von den Halmen ab. Denn der Rasen sollte sich so selten wie möglich im feuchten Klima befinden, sagt Wagner. Sonst drohen Krankheiten: Nassfäule, Pilzbefall, Hexenringe oder Schneeschimmel. Gerade in den Übergangszeiten macht die Witterung den Greenkeepern zu schaffen.

Grüner Rasen in den Stadien ist keine Selbstverständlichkeit: Die Luftfeuchtigkeit ist hoch, die Luft kann sich nicht austauschen. Zudem gelangt wenig Sonne auf den Platz, weshalb der Rasen mit einer riesigen Lichtanlage extra beleuchtet werden muss. Wenn es regnet, saugt sich der Platz mit Wasser voll, das Gras verliert an Scherfestigkeit. „Das sieht man dann im Spiel: Wenn gegrätscht und gekämpft wird, fliegen auf dem Platz richtig die Fetzen“, beschreibt Wagner. „Ich sage immer: Man kämpft um jeden Grashalm.“

100.000 Euro für den Tausch des Rasens

Die Grünflächen sind ein enormer, vor allem finanzieller Aufwand für die Vereine. „Musikfestivals und Tribünen können ihn zerstören. Je nachdem, was zusätzlich in die Arenen geholt wird, muss er öfter ausgetauscht werden“, erklärt Klaus Müller-Beck von der Deutschen Rasengesellschaft. „Über den Daumen gepeilt kostet es 100 000 Euro, wenn man den Rasen austauscht.“

Auf die Versprechungen der Kunstrasenindustrie gibt Müller-Beck nicht viel. Sie bewerbe die mehr als eine Million Euro teuren Produkte etwa mit einer längeren Haltbarkeit und weniger Aufwand. Kümmern müsse man sich aber trotzdem. Bei der kommenden Frauenfußball-WM in Kanada soll auf Kunstrasen gespielt werden. Dagegen reichten prominente Spielerinnen wie die Deutsche Nadine Angerer Klage ein.

Auch für die Kombination aus Naturrasen und Kunstfasern wird geworben - eine teure Alternative zum Naturrasen, wie Müller-Beck sagt. Der VfL Wolfsburg und Bayern München haben sich für das Hybridrasensystem „Grassmaster“ entschieden. Der Hersteller verspricht „optimales Ballroll- und Ballabsprungverhalten, vorzügliche Interaktion zwischen Spieler und Platz, Grip und Slidings“. Wagner erreicht auch mit Rollrasen ähnliche Effekte: Wenn die Halme leicht angefeuchtet werden, rollt der Ball schneller, die Passgeschwindigkeit erhöht sich. „Die Spieler mögen das, für uns ist es kein großer Aufwand“, sagt Wagner. Außerdem sehe der feine Glitzer auf dem Platz schön aus.

Wagner ist mit Leidenschaft erfüllt, wenn er über seinen Job spricht. Was könnte es auch Besseres geben für einen Fußballbegeisterten wie ihn? „Wenn der Rasen in Ordnung ist, ist auch der Greenkeeper zufrieden“, sagt Wagner. „Und dann schläft er auch besser.“