Die hessische Kleinstadt Neckarsteinach will künftig zu Baden-Württemberg gehören – sagt der Bürgermeister. Die Aufregung ist groß. Warum eigentlich?

Von seinem Platz hinter dem Schreibtisch aus hat Herold Pfeifer einige Vorzüge von Neckarsteinach im Blick. Von dort sieht er die renovierten, hellen Räume in seinem Rathaus, die freundlichen und engagierten Mitarbeiter seiner Stadtverwaltung, und wenn er nach links aus dem Fenster schaut, dann hat er eine traumhafte Aussicht auf die Vorderburg, eine von vier Burgen, für die Neckarsteinach bekannt ist. Außerdem, so erklärt es Pfeifer, steht in Neckarsteinach eines von nur zwei Eichendorff-Museen in Deutschland. Der Bürgermeister findet: „Wir haben es wunderschön hier in unserer Vier-Burgen-Stadt.“ Seit ein paar Wochen ist seine Stadt aber nicht mehr wegen der vier Burgen oder wegen des Dichtermuseums bekannt – sondern wegen Herold Pfeifer. Denn Pfeifer möchte rüber.

 

Rüber, das bedeutet im Fall von Neckarsteinach: über den Neckar. Der fließt hier, 15 Kilometer östlich von Heidelberg, in einem malerischen Bogen direkt an der Stadtgrenze entlang. Auf der anderen Seite des Flusses liegt Baden-Württemberg, Pfeifer und sein Rathaus gehören aber noch zu Hessen. Drüben, in Baden-Württemberg, findet Herold Pfeifer, ist zwar nicht alles besser, aber dort gehe man mit den finanziellen Problemen der Kommunen besser um als die schwarz-grüne Landesregierung in Wiesbaden. Deshalb will Pfeifer künftig kein Hesse mehr sein, sondern Badener. Deshalb ist er jetzt bundesweit bekannt.

Seit er auf einer Sitzung des Stadtparlaments Mitte November den Gedanken an einen Wechsel zum ersten Mal laut ausgesprochen hat, steht das Telefon auf seinem Schreibtisch nicht mehr still. Journalisten aus der Region, aus Hessen und Baden-Württemberg, aus ganz Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen bei Pfeifer buchstäblich die Klinke in die Hand gegeben. Sogar der amerikanische Nachrichtensender CNN sendete einen Beitrag über den rebellischen Bürgermeister aus dem Neckartal. Pfeifer diktierte seine Sätze in Notizblöcke von Zeitungsreportern, sprach sie in Radiomikrofone und in Fernsehkameras. Er sagte: „Ja, der Vorschlag war ernst gemeint.“ Und: „Nein, das ist kein Scherz.“ Er erläuterte wieder und wieder die schlechte Haushaltslage seiner Stadt und dass der Geldmangel ein Problem vieler hessischer Kommunen sei und dass Baden-Württemberg vor allem für die Orte auf dem Land besser sorge.