Athen kann auf Hilfen hoffen. Vorher hat aber der Bundestag das Wort. Kurios ist, dass gerade die Bundesregierung nun Fakten schafft, findet unser Kommentator Roland Pichler.

Singapur - Jetzt hat Finanzminister Wolfgang Schäuble die Katze aus dem Sack gelassen: Griechenland kann mit der Hilfe der übrigen Eurostaaten rechnen. Damit spricht der deutsche Kassenwart zwar nur aus, womit in Berlin, Paris und Brüssel ohnehin alle gerechnet haben, doch bisher hat noch kein Regierungsmitglied diese Position so klar vertreten. Griechenland bekommt also noch einmal Aufschub, was unweigerlich auf höhere Finanzhilfen hinauslaufen wird.

 

Kurios ist, dass gerade die Bundesregierung nun Fakten schafft. Monatelang haben Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sich um klare Antworten gedrückt. Gebetsmühlenhaft wurde der Eindruck erzeugt, allein das Urteil der Troika sei maßgebend, die im Auftrag der Geldgeber die Bücher in Athen prüft. Nun hat Schäuble dieser Hängepartie ein Ende bereitet. Früher oder später musste sich die Regierung dazu bekennen, denn die Zeit ist ohnehin knapp. Bis Ende November braucht Griechenland mit knapp 32 Milliarden Euro eine der größten Kredittranchen überhaupt. Zu groß wurde in den vergangenen Tagen die Gefahr, dass die unklare Entwicklung in Griechenland die Verunsicherung steigern würde. Das Stimmengewirr auf der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Tokio hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

Der Brennpunkt heißt Europa

Man mag weitere Hilfen für Athen kritisieren, doch dies ist im Moment wohl die einzige Lösung. Das hat gerade das Tokioter Treffen gezeigt. Dort wurde wieder einmal deutlich, wie sehr Europa zum Problemkind geworden ist. In den vergangenen Jahrzehnten standen bei diesen Zusammenkünften Finanzkrisen in Südamerika und Asien im Fokus. Seit zweieinhalb Jahren heißt der Brennpunkt Europa. Das ist eine alarmierende Verschiebung, die Folgen für die internationale Zusammenarbeit hat. Schon jetzt treten die großen Schwellenländer immer selbstbewusster auf, was sich auch an der schärferen Kritik an Europa zeigt. Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega rügt offen die abwartende Haltung der Europäer. Die Botschaft von Tokio ist eindeutig: Die Welt verliert allmählich die Geduld mit dem Alten Kontinent. Das komplizierte Krisenmanagement in Europa wird auf den anderen Erdteilen kaum noch verstanden.

Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Eurostaaten die Reißleine bei Griechenland nicht ziehen. Auf der Welt würde eine Griechenlandpleite als Zerfall der Eurozone verstanden werden. Gerade weil es in den vergangenen Monaten durchaus Fortschritte in Irland, Portugal und auch Spanien gegeben hat, ist die weitere Stützung des schwächsten Landes der Weg mit den geringsten Kollateralschäden.

Es bleibt zwar dabei, dass Hellas bisher kaum Fortschritte bei der Modernisierung des maroden Staates gemacht hat, immerhin sind in den vergangenen Monaten aber schmerzhafte Sparbeschlüsse durchgesetzt worden. Sicher: Athen hat Zusagen gebrochen und ist vieles schuldig geblieben. Doch es wäre falsch, auf halbem Weg stehen zu bleiben. Ebenso falsch wäre es aber auch, Griechenland schon jetzt aus der Pflicht zu entlassen. Athen muss zuerst die 89 Reformvorhaben beschließen, die Hellas seinen Geldgebern versprochen hat. Erst dann sollten neue Mittel fließen.

Es beginnt eine neue Zitterpartie

Trotz Schäubles Klarstellung gibt es noch viele Hindernisse. Die Eurozone hat noch keine Lösung dafür gefunden, wie Griechenland mit Unterstützung der Eurostaaten bis 2020 seine Gesamtverschuldung spürbar senken kann. Für die Bundesregierung wird die Sache auch aus einem anderen Grund heikel: Sie benötigt die Zustimmung im deutschen Parlament. Im Bundestag gibt es in den Reihen von Union und FDP aber immer mehr Parlamentarier, die nicht länger griechische Etatlöcher stopfen wollen. Es beginnt eine neue Zitterpartie – dieses Mal in Berlin.