Ende April erwacht Santorin langsam aus dem Winterschlaf. Wer Ruhe und Beschaulichkeit liebt, findet es jetzt dort besonders schön.

Santorin - Jedes der Gebäude ist verschachtelt und verwinkelt, hat strahlend weiße Wände, dazu die Andeutung von Blumenkästen unter den Fenstern. Jedes Haus in der Straße besitzt eine in Hellblau lackierte Kuppel, und von oben betrachtet ist all das schönstes Bilderbuch-Griechenland. Manchmal greift eine Hand nach der einen oder anderen dieser Kuppeln und sortiert das Szenario neu - oder klebt noch schnell ein neues Preisschild auf die Unterseite der kaum 20 Zentimeter hohen Häuschen. Noch ist nicht viel los bei Giorgios Kakidakis in Oia auf Santorin, noch verkauft er keine fünf der faustgroßen handbemalten Häuser aus Ton am Tag, dazu vielleicht den einen oder anderen Kühlschrank-Magneten im knallblauen Santorin-Look oder ein paar Badelatschen mit schnörkeligem „Santorin“-Schriftzug auf dem Fußbett. Denn noch ist kaum einer da - Vorsaison auf den Kykladen, die Ruhe vor dem Sturm auf der Bilderbuch-Insel Santorin, nur ein paar Passanten diesen Nachmittag in den Gassen des Vorzeige-Städtchens Oia hoch oben auf der Steilküste.

 

Ein paar Wochen dauert es noch, bis während der Hochsaison wieder jeden Tag gleich mehrere Kreuzfahrtschiffe vor der Insel Anker werfen und ihre Passagier- Hundertschaften in Beibooten an Land tendern. Und auch die meisten Charterflug-Verbindungen werden erst wieder Anfang und Mitte Mai aufgenommen. Auf den griechischen Inseln ist die Saison seit jeher kürzer als anderswo im Mittelmeer. Sie beginnt später, endet früher, und wer im Winterhalbjahr kommen will, ist fast immer auf teurere Linienflüge angewiesen, muss in Athen oder Thessaloniki umsteigen und hat Mühe, ein geöffnetes Hotel zu finden. Den Sprung zu Ganzjahreszielen haben die Eilande bislang nicht geschafft - weil die Ägäis rauer ist als manch anderer Winkel Südeuropas. Weil es hier gewaltig stürmen und kalter Wind durch die Gassen pfeifen kann.

Buchungen für den Sommer 2014

Mitte Oktober jedenfalls werden die Bürgersteige hochgeklappt, die meisten Hotels und Restaurants geschlossen, und erst ab Ende April geht es in kleinen Schritten wieder los. In der Zwischenzeit sind die Einheimischen fast unter sich, können sich vom Saison-Rummel erholen, streichen Fassaden wieder in Weiß, Fensterläden in Blau, reparieren alles, was während der Saison Schaden genommen haben könnte - und entstauben die zeitlosen Mitbringsel-Ladenhüter der letzten Saison, die mit ziemlicher Sicherheit im bevorstehenden Sommer endlich über den Ladentisch gehen werden. Die Aussichten sind gut: Letztes Jahr boomte der Griechenland-Tourismus, und die Buchungen für den Sommer 2014 liegen derzeit sogar über den Erwartungen.

Giorgios hat seinen Souvenirladen erst vor ein paar Tagen wieder eröffnet, hockt jetzt auf einem kleinen Stühlchen vor der Fassade, weil es zu schade wäre, drinnen im Halbdunkel hinter der Kasse auszuharren. Ab und zu sortiert er die Tonhäuschen seiner Ministraße neu, plauscht hier, plaudert da, genießt die Sonnenstrahlen auf dem Gesicht. Was er im Winter gemacht hat? Jetzt lacht er. „Ich sitze hier und tue fast genau dasselbe. Auch im Winter. Nur ohne Souvenirs. Ich genieße die Stille, den Alltag. Wie früher, wie immer schon.“ Einen großen Vorteil hat es, bereits vor Mitte Mai nach Santorin zu reisen: Jetzt bekommt man problemlos die besten Plätze in den Restaurants, Tische mit Aussicht auf den engen Dachterrassen mancher kleiner Altstadt-Gaststätte in Oia mit bestem Blick auf den viel gerühmten Sonnenuntergang über der Ägäis - im Sommer oft ein aussichtsloses Unterfangen.

Noch bekommt man auch einen der begehrten wackeligen Holztische nur Zentimeter von der Kaimauer unten im Fischerort Ammoudi, wo Joy Kerluke gebratenen Oktopus und fangfrische Dorade vom offenen Holzkohle-Grill serviert, die ihr Mann Dimitrios zubereitet hat. Vor ein paar Tagen erst haben sie wieder aufgemacht. Und es duftet auch bereits wieder nach gegrilltem Hummer, nach Barrakuda mit frischen Kräutern. Kostis Psychas unterdessen hat reichlich neue Topfblumen angeschafft, sie in großen Kisten mit der Fähre vom Festland kommen lassen, um die Terrassen seiner typischen Höhlenhotel-Zimmer damit zu dekorieren, die einst in den weichen Fels der Steilküste gegrabene Vorratskammern gewesen sind und heute zu den begehrtesten Quartieren auf der Insel gehören. Etliche seiner Gäste reisen mit dem Privatjet an, manche kommen damit sogar aus Übersee.

Zu wenig los für große Boxen

Trotzdem lohnt es sich für ihn nicht, früher zu öffnen: zu wenig Nachfrage. Auch die Leute mit den eigenen Jets wissen nicht, wie schön es auf Santorin ist, wenn die Insel gerade erwacht. Nur einer muss sich ein bisschen länger gedulden als alle anderen: weil für eine abgelegene Bar am Meer mit großen Boxen und guter Musik einfach noch zu wenig los ist. Nikos Kaldrimidis ist Fremdenführer, lebt auf Santorin, und sein Lieblingsplatz ist die Oeros Wave Bar mit ihren Liegen, Sofas und Hängesesseln direkt am Strand von Vlichada.

Ein langer, staubiger Sandweg führt dorthin, und bis in den Ort ist es weit. Nur braucht es für Party und Tanz genügend Publikum - und weil das erst später einschwebt, wird der Club gerade erst wieder neu aufgebaut. Ein paar Strohdächer und Sonnenschirme hatte der letzte große Wintersturm mitgenommen. Nikos geht trotzdem schon mal hin, schaut, fasst mit an - und freut sich auf die wirklich heißen Sommertage, wenn hier wieder richtig was los sein wird. Ab Ende Juni, mehr noch von Mitte Juli an. Denn fürs Erste ist Santorin mit dem Aufwachen beschäftigt.

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Infos zu Santorin

Anreise
Germanwings fliegt ab Stuttgart und München den Flughafen Santorin an ( www.germanwings.com ). Condor hat die kleine Insel in der Ägäis ab Frankfurt sowie ebenfalls ab Stuttgart und München auf dem Flugplan ( www.condor.de ).

Übernachtung
Übernachtung im Hotel Perivolas Traditional Houses am Ortsrand von Oia ab rund 375 Euro ( www.perivolas.gr. ). Im einfacheren Höhlenhotel Lauda am Kraterrand in Oia kostet das Zimmer ab 80 Euro pro Nacht ( www.lauda-santorini.com ).

Allgemeine Informationen
Die südlichste Kykladen-Insel Santorin ist - neben Mykonos - das am besten erschlossene Eiland des Archipels in der Ägäis. Der Badetourismus konzentriert sich auf die Strandorte der Ostküste, während die Westküstenorte Oia, Imerovigli, Firostefani und Fira tolle Quartiere mit Aussicht hoch oben an der Steilküste bieten. Am reizvollsten für einen Besuch sind die Monate Mai und September mit Lufttemperaturen zwischen 20 und 28 Grad.

Weitere Infos: Griechische Zentrale für Fremdenverkehr, Holzgraben 31, 60313 Frankfurt a. M., Telefon 069 / 2 57 82 70, www.visitgreece.gr.