Bei der Eurorettung verschieben sich immer stärker die Maßstäbe, meint der Berlin-Korrespondent der StZ, Roland Pichler.

Berlin - Pragmatismus ist in der Politik wichtig. Dass Regierungen und Parlamente frühere Entscheidungen korrigieren und an die veränderte Lage anpassen, gehört zur guten Staatsführung. Deshalb sollte der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie die Eurokrise zu Beginn im Jahr 2010 anders eingeschätzt hat. Das Versprechen, dass es sich bei den Rettungsprogrammen um einmalige Hilfen handelt, konnte sie nicht halten. Damals ahnte aber auch niemand, wie stark ein Land wie Griechenland abgewirtschaftet hat.

 

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Maßstäbe bei der Eurorettung verändert werden mussten. Während anfangs beispielsweise noch der Grundsatz galt, dass Krisenländer für die Kredite der Euroländer Strafzinsen zahlen sollten, um Nachahmer abzuschrecken, wurde dies bald schon korrigiert. Inzwischen gelten Vorzugskonditionen. Für die Darlehen aus dem dritten Hilfsprogramm zahlt Athen ein Prozent Zinsen – und das bei mehr als 30-jähriger Laufzeit. Die Gläubiger sind in ihrer Logik gefangen. Wenn sie die Zinsen nicht niedrig halten und die Kreditlaufzeiten ein weiteres Mal verlängern, geht die Rechnung im Falle Griechenlands nicht auf. Weil die Euroländer einen Schuldenschnitt partout vermeiden wollen, werden die Laufzeiten gedehnt und die tilgungsfreien Zeiten erweitert. Dies geschieht nur deshalb, um den Eindruck zu vermeiden, dass Griechenland längst schon überschuldet ist. Dabei gehen die Eurostaaten nun aber entschieden zu weit.

Um den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit ins Boot zu holen, werden die Kriterien schöngerechnet. Weil der IWF nach seinen Regeln Geld nur verleihen kann, wenn ein Land seine Schuldentragfähigkeit unter Beweis stellt, soll plötzlich die Berechnungsmethode umgestellt werden. An Athen darf nach den bisherigen Kriterien des IWF kein neues Geld vergeben werden. Auch die Bundesregierung, die bisher stets betonte, wie wichtig die Expertise des IWF ist, sieht darüber hinweg. Den Bürgern wird vorgegaukelt, die neuen Kredite an Athen gingen in Ordnung. Dabei ist absehbar, dass ein Teil des Geldes verloren ist.