Der Bundesfinanzminister steht für einen harten Kurs gegenüber Griechenland. Für ihn geht es vor allem um die Regeln in einem gemeinsamen Europa.

Berlin - Es ist der Versuch, Normalität zu demonstrieren. „Das Kabinett hat am Vormittag den Entwurf des Bundeshaushalts 2016 beschlossen“, beginnt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Ausführungen. Er will auf einer Pressekonferenz den Etat präsentieren und darüber reden, dass die schwarze Null in den nächsten Jahren die Konstante der Finanzpolitik sein soll. Doch die Journalisten interessieren sich vor allem für Griechenland. Schäuble ist derjenige in der Regierung, der die Verhandlungen am intensivsten geführt hat. Allein in der vergangenen Woche sei er vier Mal nach Brüssel gereist, sagt er, um einen Eindruck von seinem Pensum zu vermitteln. Bis in die Nacht hinein wurden Telefonkonferenzen abgehalten. Wenn jemand eine Ahnung hat, wie es weitergeht, müsste es Schäuble sein. Doch es wird schnell klar, dass die Zeit für Fahrpläne vorüber ist. „Ich gebe keine Prognosen ab“, sagt der 72-Jährige. Nur mit einem Halbsatz erwähnt er, dass es eine Zeit mit verunsichernden Nachrichten sei.

 

Trotz der vielen Fragen, die unbeantwortet bleiben, wirkt Schäuble aufgeräumt. Er ist mit sich im Reinen. Viel ist zum Verhandlungspoker mit Athen gesagt und geschrieben worden. Als ihm ein griechischer Journalist kritische Fragen stellt, liefert er eine Erklärung, die als Schlüssel für die Berliner Sicht gelten kann. „Ich habe mich immer an Regeln und Vereinbarungen gehalten“, sagt Schäuble. „Wenn sich alle daran gehalten hätten, wäre Griechenland nicht in einer so verzweifelten Situation.“

Keine belastbaren Zusagen aus Athen

Was sich zunächst wie die Spitzfindigkeit eines Juristen anhört, beschreibt die Grundüberzeugung der Bundesregierung. Schäuble erzählt, dass die griechische Regierung nach schwierigen Verhandlungen im Februar eine Vereinbarung unterzeichnete, mit der sie sich verpflichtete, die Schulden zurückzuzahlen. Kurze Zeit später stellte Athen das in Frage. In einem der jüngsten Briefe an die EU-Kommission habe Ministerpräsident Alexis Tsipras angeboten, alle Schulden zu bedienen, soweit dies sozial verträglich sei. Solche Zusagen seien nicht belastbar, meint Schäuble.

Bundeskanzlerin Angela Merkel drückt es kurze Zeit später im Bundestag so aus: „Europa zeichnet sich als Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft aus.“ Es gehe nicht darum, irgendwie durch die Krise zu kommen, so Merkel, sondern es müssten tragfähige Lösungen sein. Dazu sei die Regierung in Athen nicht bereit gewesen. Schäuble meint, am Schluss habe einfach das Vertrauen gefehlt. Er wisse nicht einmal, ob die griechische Regierung nun für oder gegen die Volksabstimmung sei.

Neues Hilfsprogramm nur unter erschwerten Bedingungen

Schäuble erhielt in der Unions-Bundestagsfraktion zu Beginn der Woche minutenlangen Beifall. Die Abgeordneten sehen in ihm den Garanten dafür, dass keine faulen Kompromisse gemacht werden. Mit seiner harten Verhandlungsführung festigte er seine ohnehin schon starke Stellung. Dennoch kommt bei Schäuble kein Triumph auf. Dafür weiß er zu genau, wie brenzlig die Lage ist. „Das ist eine traurige Situation. Niemand von uns versteht, warum die griechische Regierung das Land und die Bevölkerung in eine Situation führt, der man fassungslos gegenüber steht“, meint der Minister. Und dann fügt er hinzu: „Mir tun die Menschen leid.“ Da sich die Wirtschaftslage in Griechenland rapide verschlechtert habe, würden es die Leute sehr schwer haben.

Ein neues Hilfsprogramm hält zwar Schäuble für denkbar. „Es gibt nun aber eine völlig andere Situation“, lautet sein Fazit. Denn das zweite Hilfsprogramm für Griechenland sei ausgelaufen. An neues Geld komme das Land nur „unter sehr erschwerten Bedingungen“, wie es Schäuble formuliert. Er begründet dies damit, dass allein der dauerhafte Rettungsfonds ESM in Frage kommt. Dieser Fonds könne aber nur unter strengen Auflagen Mittel vergeben. „Wir müssen ein völlig neues Programm unter anderen Voraussetzungen entwickeln.“ Erschwert wurde die Rettung auch dadurch, dass Griechenland seine Zahlung von knapp 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht leistete. Schäuble spricht Klartext: Nach den IWF-Regeln handele es sich um einen Zahlungsausfall. Der Minister spricht das Wort, auf das die Finanzmärkte allergisch reagieren, in aller Deutlichkeit aus.

Gregor Gysi kritisiert den Regierungskurs scharf

Gleich nach der Vorstellung des Haushalts eilt Schäuble in den Bundestag. Es ist der Tag, an dem die Opposition der Regierung die Versäumnisse bei der Griechenland-Rettung vorhält. Die Kanzlerin spricht von Stabilitätskultur und davon, dass Europa wettbewerbsfähiger werden müsse. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, attackiert Merkel scharf. „Die Art, wie sich die Regierung selbst beweihräuchert, ist völlig daneben.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wirft der Koalition vor, Griechenland allein aus innenpolitischen Motiven die Rettung verweigert zu haben.

Schäuble ist der einzige Redner von der Regierungsbank, der frei spricht. Der dienstälteste Minister erklärt, ordnet ein und versucht Kritik zu entkräften. Er braucht kein Manuskript. Mit der Eurorettung schlägt er sich schon zu lange herum.