Die Schutzimpfung gegen Grippe hat einen guten Ruf – aber auch deutliche Schwächen. Warum sie ausgerechnet bei Senioren nicht so gut wirkt, erklären Experten.

Berlin - Die Aufrufe zur Grippeimpfung sind angesichts der Erkrankungszahlen von mehr als 11 000 Betroffenen allein in der Bundesrepublik nicht mehr zu ignorieren. Doch fraglich bleibt, wie gut die diesjährige Impfung wirklich schützt. Haben doch die beiden vergangenen Grippe-Saisons gezeigt, dass die jeweils empfohlene Immunisierung nur mäßig vor den saisonal grassierenden Viren geschützt hat. Auch in diesem Winter zeigt die aktuelle Impfung deutliche Schwächen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin bestätigt: „Uns liegen zwar noch keine Daten für Deutschland vor, aber von Auswertungen aus Schweden und Finnland wissen wir, dass die Impf-Effektivität insbesondere in der Gruppe der Senioren bei etwa 25 Prozent liegt“, so die RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Und damit ausgerechnet bei denjenigen, für die die Grippe besonders gefährlich werden kann.

 

Keine Influenza-Impfung ist hundertprozentig wirksam

Grippeimpfungen sind per se ein löchriger Schutz: Keine Influenza-Impfung ist hundertprozentig wirksam. Denn die Suche nach einem optimalen Wirkstoff gestaltet sich stets schwierig: Das liegt zum einen an den Viren selbst. Die Erreger schlampern beim Kopieren des Erbguts und ändern ständig Teile ihrer Oberflächenproteine. Jedes Jahr braucht es daher einen neuen Impfstoff. Damit die Hersteller rechtzeitig mit der Produktion beginnen können, gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Februar bekannt, welche drei Virentypen der Impfstoff für den nächsten Winter erhalten soll.

Letztendlich hängt die Wirksamkeit der Grippeimpfung also davon ab, wie gut die Virus-Antigene im Impfstoff übereinstimmen mit den Viren, die dann tatsächlich im Umlauf sind, heißt es beim RKI.

Auch das Immunsystem eines jeden Einzelnen ist wichtig

Ein weiterer wichtiger Faktor ist, wie gut das Abwehrsystem des Einzelnen ist. Denn die Grippe-Impfung ist eine aktive Impfung. Der Impfstoff enthält abgetötete Erreger oder auch nur Bruchstücke, die selbst keine Erkrankung verursachen können. Sie aktivieren aber das Immunsystem des Geimpften, so dass dieser im Fall einer tatsächlichen Infektion einen gewissen Schutz hat. Das gelingt aber bei Senioren nur schwer – wie Studien des Berliner Charité gezeigt haben: So sind bei Älteren deutlich weniger Abwehrzellen im Blut als bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Diese sogenannten T-Zellen sind aber wichtig für die Immunantwort des Körpers, wenn er von Krankheitserregern angegriffen wird. Diese Abwehrzellen werden im Thymus hergestellt, einem Organ oberhalb des Herzens. Doch dieses bildet sich nach der Pubertät zurück und bildet weniger neue T-Zellen. Das könnte erklären, warum das Immunsystem bei Älteren nicht mehr gut auf die Impfung reagieren kann.

Deswegen bei Senioren ganz auf die Grippeimpfung zu verzichten, halten die Experten des RKI allerdings für einen großen Fehler: Denn eine echte Grippe kann bei älteren Menschen gerade aufgrund ihres nicht mehr so aktiven Immunsystems lebensbedrohlich werden. Bislang sind dem RKI 30 Todesfälle infolge der Grippe bekannt. Fast alle Betroffenen waren über 60 Jahre alt. Weshalb Susanne Glasmacher Älteren dringend zur Immunisierung rät. „Wenn es stark regnet und man hat nur einen Schirm mit Löchern, so wird man ihn dennoch aufspannen, um nicht ganz nass zu werden.“ Auch bei der Impfung sei ein geringer Schutz besser als gar keiner.