Bei Bosch stehen die Zeichen auf Sturm: Am Donnerstag werden 2000 Demonstranten vor der Bosch-Zentrale in Gerlingen erwartet. Sie kritisieren die Pläne des Konzerns, den Anlasserbereich in eine selbstständige Gesellschaft auszulagern und dann einen Partner oder Käufer zu suchen.

Stuttgart - Die Bosch-Beschäftigten an den Standorten Schwieberdingen und Hildesheim machen Druck. Gleich mehrfach gab es Aktionen in den vergangenen Tagen. „Vesper-Walk“ oder „Uns SGlern schmeckt’s beim Bosch“ haben sie Proteste in Schwieberdingen genannt; in Hildesheim werden die Beschäftigten in einer quasi Endlos-Betriebsversammlung informiert – eine Versammlung wird nur unterbrochen und in der darauffolgenden Woche fortgesetzt. Auch im Bosch-internen Datennetzwerk äußern Beschäftigte ihren Unmut; 1500 Einträge wurden in den vergangenen Tagen veröffentlicht. Die Mitarbeiter „gehen hart mit Bosch ins Gericht“, urteilt ein Mitarbeiter.

 

Was Gewerbliche und Ingenieure gleichermaßen empört, ist die Entscheidung des Konzerns, das Geschäft mit Anlassern und Lichtmaschinen (SG im Bosch-Jargon) – zu dem auch Techniken wie Start-Stopp und die Rückgewinnung von Bremsenergie gehören – bis zum Jahresende zunächst in eine selbstständige Gesellschaft auszulagern und dann einen Joint-Venture-Partner oder Käufer zu suchen. Betroffen sind 900 Beschäftigte in Hildesheim und 500 Mitarbeiter im Entwicklungszentrum Schwieberdingen. Weltweit sind 6500 Beschäftigte an 13 Standorten in dem Bereich tätig – unter anderem im ungarischen Miskolc und im spanischen Treto.

Auch an Standorten im Ausland sind Aktionen geplant

Für Donnerstag haben die Vertreter der Arbeitnehmer nun eine große Kundgebung vor der Konzernzentrale in Gerlingen geplant. 2000 Bosch-Mitarbeiter werden erwartet; sie reisen von Schwieberdingen und Hildesheim an. Auch Mitarbeiter der Mercedes-Benz-Werke in Sindelfingen und Stuttgart-Untertürkheim werden erwartet. Zeitgleich sind Aktionen an ausländischen Standorten geplant – in Spanien, möglicherweise auch in Brasilien, Südafrika und Ungarn. „Unser Problem ist nicht, die Mitarbeiter zu mobilisieren, sondern eher, die Proteste zu kanalisieren“, sagt Alfred Löckle, der Vorsitzende des Bosch-Gesamtbetriebsrats. „In der Belegschaft herrscht großes Unverständnis“, kommentiert Uwe Mebs, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Hildesheim, die Stimmung.

Bosch-Chef Volkmar Denner könnte am Donnerstag für mehr Klarheit sorgen. Am Rande des Protestes wird es zum Gespräch zwischen Denner und Vertretern der Arbeitnehmer kommen. Eine Dreiviertelstunde ist dafür angesetzt.

Bei dem Gespräch dürfte es auch um die wirtschaftliche Lage bei Anlassern und Lichtmaschinen gehen, um die internationale Ausrichtung sowie die Entwicklung des Marktes. Der Technologiekonzern hat dem lange Zeit defizitären Geschäft einen erfolgreichen Wandel bescheinigt. Die Strukturen seien vereinfacht, die Flexibilität erhöht worden. Nun seien die Produkte technisch und kommerziell wettbewerbsfähig. Die Kapazitäten in Hildesheim seien ausgelastet. Aber: es gebe kein ausreichendes Differenzierungspotenzial gegenüber Konkurrenzprodukten, sagt der Bosch-Sprecher. Und: die Geschäftsergebnisse seien zwar solide, reichten aber nicht „für eine erfolgreiche Zukunft“ aus.

Anlassergeschäft ist europalastig

Das liegt auch an der internationalen Ausrichtung: Das Anlassergeschäft von Bosch ist europalastig. Deutlich mehr als die Hälfte des Umsatzes in dem Bereich erzielen die Stuttgarter auf dem Alten Kontinent. Doch Zuwächse im Automarkt gibt es in den USA und in Asien. „Mit einem Partner oder einem neuen Eigentümer hat der Bereich eine echte Wachstums- und Entwicklungsperspektive“, sagt der Sprecher. Aber warum tritt Bosch nicht als Käufer auf? Weil Bosch vor allem in Zukunftstechnologien investiere – in das autonome Fahren oder die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, so der Sprecher.

Bei Anlassern sei der Markt dagegen von erheblichen Überkapazitäten gekennzeichnet, die künftig eher noch zunehmen dürften, heißt es bei Bosch. Zu erwarten sei ein Verdrängungswettbewerb und in der Folge eine Konsolidierung des Marktes. Das hat mit der technologischen Entwicklung zu tun. Weder ein Elektroauto noch ein Hybrid benötigen einen Anlasser. Und beim Downsizing – also der Verkleinerung des Motors bei mindestens gleicher Leistungsfähigkeit – werden die Starter kleiner; damit sinkt die Wertschöpfung.

Auch Beschäftigte anderer Bereiche sind alarmiert

Nicht nur die Betroffenen in Hildesheim und Schwieberdingen sind alarmiert, sagt Betriebsratschef Löckle. Auch andere Bosch-Bereiche sind abhängig vom Verbrennungsmotor. Dass ihnen möglicherweise ein ähnliches Schicksal droht, beflügelt die Streikbereitschaft. Dem Konzern kann dies nicht recht sein. Schwieberdingen ist ein Entwicklungsstandort; dort sind vor allem Ingenieure tätig – und die sind sehr gefragt auf dem Arbeitsmarkt. Sollten sie sich nun abwerben lassen, würden damit die Chancen, einen Partner oder Käufer für das Anlassergeschäft zu finden, deutlich sinken.