Im Süden Stuttgarts wird mehr Strom gebraucht. Darum legt die EnBW eine neue, leistungsfähigere Trasse quer durch Vaihingen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Die Autofahrer in Vaihingen haben es derzeit noch ein wenig schwerer als ohnehin schon. Denn an allen Ecken und Enden wird die Straße aufgerissen. Ein Grund hierfür ist eine Großbaustelle der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Das Unternehmen verlegt neue Stromkabel. Die Trasse führt einmal quer durch Vaihingen – genauer gesagt vom Festplatz an der Krehlstraße im Süden bis zum Universitätsgelände in Norden.

 

Notwendig ist das, weil auf dem Campus mehr Strom gebraucht wird. Das dortige Umspannwerk wird derzeit von den Umspannwerken Marienstraße und Möhringen gespeist. Die Kabel, die von dort zum Uni-Gelände führen, sind jedoch 50 Jahre alt und an der Belastungsgrenze. Also müssen neue gelegt werden. Der EnBW-Pressesprecher Jörg Busse fügt noch hinzu, dass mit den neuen Kabeln, der Versorgungssicherheit und dem wachsenden Strombedarf im gesamten Südwesten Stuttgarts Rechnung getragen werde.

Klar war, dass der Strom von der Hochspannungsleitung kommen muss, die von Möhringen nach Sindelfingen führt. „Die ist am nächsten“, sagt der Projektleiter Hans-Dieter Schöberl von der EnBW. Etwas vereinfacht, kann man die Hochspannungsleitung als Strom-Autobahn bezeichnen. Von dieser musste ein neuer Abzweig, eine Ausfahrt, gebaut werden.

Das bedeutet, der Strom wird von der Leitung abgezapft und durch unterirdische Kabel zu dem rund drei Kilometer entfernten Umspannwerk geführt. Die neue Ausfahrt aus der Stromautobahn steht bereits – in Form eines 37 Meter großen Strommasts am Rand der Kleingartenanlage Im Haldenhau beim Festplatz in Rohr. „Der alte Strommast wäre zu klein gewesen, um die Last der neuen Leitungen zu tragen“, sagt Schöberl.

Zunächst werden nur Leerrohre verlegt

Von dem Masten ausgehend werden die Kabel in zwei parallel verlaufenden Gräben verlegt. Das hat den Vorteil, dass sich die Kabel nicht gegenseitig negativ beeinflussen und dass, wenn eins kaputt ist, das andere dennoch weiterhin einwandfrei funktionieren sollte.

Zunächst werden jedoch nur Leerrohre aus Kunststoff – genauer gesagt aus Polyethylen – in der Erde versenkt. Die Kabel werden erst dann eingezogen, wenn die Leerrohre auf der gesamten Strecke verlegt sind. „So können wir die einzelnen Baugruben schneller wieder verfüllen und die betroffenen Straßenabschnitte wieder für den Verkehr freigeben“, sagt Busse.

Um zügig voranzukommen, wird mit mehreren Kolonnen gleichzeitig gearbeitet. Eine Kolonne verlegt am Tag etwa 30 bis 40 Meter Leerrohre. Der Graben ist in der Regel 1,20 Meter tief. Über die großen Kunststoffhülsen kommen Sand, Betonplatten und das Warnband „Achtung Kabel“, darüber wieder der normale Straßenaufbau.

Für Hans-Dieter Schöberl ist die Baustelle eine Herausforderung Er habe noch nie ein Projekt gehabt, dass in Sachen Verkehr so viel Feinabstimmung bedurfte. „Das ist Wahnsinn“, sagt der Mann von der EnBW. Und es sei auch nicht ganz billig.

Anwohner der Krehlstraße freuen sich

Doch immerhin: zumindest im Fall der Krehlstraße waren die Anwohner geradezu beglückt über die Bauarbeiter vor ihrer Haustür. Denn die Straße ist ein beliebter Schleichweg und hatte in den vergangenen Jahren immer wieder für Aufregung gesorgt, weil sich viele nicht an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometern pro Stunde halten.

„Die Anwohner kamen raus zu uns und haben fast darum gebeten, dass wir uns mit der Baustelle noch etwas Zeit lassen. Denn so lang die Straße gesperrt sei, sei es so wunderbar ruhig“, sagt der Bauleiter Dominik Ciossek von der Firma Leonhard Weiss, die von der EnBW als Generalunternehmer beauftragt wurde. Bei den Autofahrern hingegen hat die Baustelle auf der Krehlstraße für Unmut gesorgt. Denn der Verkehr auf der Umleitungsstrecke staute sich gerade in den Stoßzeiten gewaltig.

Am Ende der neuen Trasse steht das Umspannwerk Allmand. Von außen ist es als solches gar nicht erkennbar. Es ist schlicht ein großer grauer Betonklotz. „Die Anlage wurde in den 70er-Jahren von einem Star-Architekten gebaut“, sagt Frederik Best von der EnBW. Die Folge: An der Fassade des Umspannwerks darf nicht das Kleinste verändert werden.

Das Umspannwerk hat Platz für vier Transformatoren. Eine der Kammern ist leer – und wird es vorerst auch bleiben. Zwar muss wegen des gestiegenen Strombedarfs auch das Umspannwerk aufgerüstet werden. Doch dazu wird einer der alten Transformatoren schlichtweg ausgetauscht. Das ist im wahren Wortsinn nicht ganz leicht. Denn so ein Transformator wiegt 73 Tonnen.

Um das Schwergewicht auf einen Tieflader zu bekommen, müssen extra Schienen gelegt werden, auf denen es aus seiner Kammer rausgezogen werden kann. Dann wird der alte Transformator abtransportiert und verschrottet. Das wird aber vermutlich erst im Frühjahr 2013 passieren – und den Autoverkehr auf den Straßen nicht mehr beeinflussen.