In London wurden bei einem mutmaßlichen Terrorangriff mindestens fünf Menschen getötet und 40 verletzt. Der Angreifer fuhr auf der Westminster Bridge Fußgänger nieder und erstach einen Polizisten. Im britischen Regierungsviertel herrschte Panik.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Ein Anschlag hat am Mittwoch in Westminster, dem Herzen der britischen Demokratie, Panik ausgelöst. Scotland Yard sprach unmittelbar nach der Tat von einem Terroranschlag. Der Angreifer tötete drei Personen, darunter einen Polizisten. Mindestens zwanzig Menschen wurden teils schwer verletzt. Der schwarz gekleidete Attentäter wurde von Polizisten erschossen. Die Londoner Polizei ging am frühen Abend davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat.

 

Begonnen hatte der Anschlag mit einer Amokfahrt auf der Westminster-Brücke. Ein Geländewagen war auf den Gehweg der Brücke gefahren und hatte dort ein Dutzend Menschen niedergemäht. Eine Frau verstarb noch an Ort und Stelle. Andere Passanten erlitten nach Angaben der Notdienste „katastrophale“ Verletzungen. Sie wurden ins örtliche St.-Thomas-Krankenhaus gebracht. „Auf der gesamten Länge der Brücke lagen Menschen auf dem Boden“, schilderte der Augenzeuge Richard Tice dem Sender Sky News. Eine Frau wurde offenbar schwer verletzt aus der Themse geborgen. Unter den Verletzten sind mindestens drei französische Schüler, wie das französische Außenministerium in Paris mitteilte. Auch zwei rumänische Staatsbürger sollen rumänischen Behörden zufolge verletzt worden sein. Unklar blieb zunächst, ob auch deutsche Staatsangehörige betroffen sind.

Im Parlament herrschte Chaos

Nach der Amokfahrt rammte der Fahrer die Außenmauer des Palastes von Westminster, des britischen Parlaments, am Ende der Brücke. Dann sprang der Mann, der ein langes Messer bei sich trug, offenbar aus dem Wagen und rannte auf das Parlamentsgelände zu. Ein Polizist, der sich ihm in den Weg stellte, wurde mit Messerstichen verletzt. Er starb später, obwohl ein Politiker ihn mit Erste-Hilfe-Maßnahmen zu retten versuchte. Polizisten schossen den Angreifer mit mehreren Schüssen nieder. Er starb an seinen Verletzungen.

Im Parlament selbst, das an diesem Nachmittag tagte, herrschte nach Bekanntwerden des Vorfalls Verunsicherung. Das Unterhaus musste in aller Eile seine Sitzung abbrechen. Abgeordnete, parlamentarische Mitarbeiter und Besucher, die sich im Gebäude befanden, versuchten sich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Der konservative Parlamentarier Damian Collins berichtete Reportern, dass die Polizei ihn und etwa 30 weitere Abgeordnete angewiesen habe, sich flach auf den Boden zu legen. Unterhaus und Oberhaus wurden zeitweise abgeriegelt. Tausende fanden sich eingeschlossen in den Parlamentsräumen und im Halbdunkel der Abtei von Westminster. Schwer bewaffnete Polizeieinheiten durchkämmten den Palast Etage für Etage.

„Ein kranker und verkommener Anschlag“

Premierministerin Theresa May, die kurz zuvor ihre wöchentliche Fragestunde absolviert hatte und sich zur Tatzeit im Parlament befand, wurde von Sicherheitsbeamten umringt und zu einem wartenden Wagen geführt. Die bleiche Regierungschefin wurde in aller Eile in die nahe Regierungszentrale nach No. 10 Downing Street gebracht. Später am Abend sprach sie von einem „kranken und verkommenen Anschlag“. Jeder Versuch, die britischen Werte durch Terror zu besiegen, sei jedoch zum Scheitern verdammt. „Morgen früh wird das Parlament wie üblich zusammentreten“, verkündete May.

Überall in Westminster patrouillierten bewaffnete Polizisten. Schulkinder, die zur Parlamentsbesichtigung angerückt waren, wurden von ihren Lehrern getröstet. Draußen vor dem Gebäude und auf der Brücke herrschte kurzfristig Chaos. Tausende von Touristen, Bauarbeitern, Angestellten und Schülern wurden von der Polizei von den beiden Tatorten weggedrängt. Dutzende von Rettungswagen versuchten, sich ihren Weg zur Brücke und zum Parlamentsgebäude zu bahnen, während Rettungshubschrauber auf dem Platz vor dem Parlament landeten.

Die Queen ist in Sicherheit

Der Angriff ereignete sich am Jahrestag der Selbstmordanschläge auf den Flughafen und die U-Bahn in Brüssel, bei denen im Jahr 2016 insgesamt 32 Menschen getötet worden waren. Er passierte in Sichtweite einiger der berühmtesten Touristenattraktionen Londons. So befindet sich am nördlichen Ende der Westminster Bridge der Big Ben. London Eye, das berühmte Riesenrad an Londons South Bank stellte vorübergehend den Betrieb ein. Zahlreiche Touristen saßen längere Zeit in den Glaskabinen hoch über der Themse fest. Auch in Londons Innenstadt wurde das Aufgebot der Polizei deutlich verstärkt.

Königin Elizabeth II. hielt sich während der mutmaßlichen Terrorangriffe im Buckingham-Palast auf. Die Nachrichtenagentur PA berichtete, dass die Tore geschlossen worden seien und bewaffnete Polizisten die Zugänge bewachten.

Geheimdienste hatten mit einem Anschlag „fest gerechnet“

Die U-Bahn-Station Westminster wurde unmittelbar geschlossen, um den Menschenstrom zum Parlament hin zu stoppen. In Westminster Abbey, der historischen Abtei Westminsters, wurden noch am späteren Nachmittag rund tausend Personen zeitweise festgehalten. Viele der Westminster-Abgeordneten zeigten sich schockiert, lobten aber die Polizei für ihren „schnellen und professionellen“ Einsatz. Natürlich habe man mit so etwas rechnen müssen, räumten einzelne Parlamentarier ein. Seit den Anschlägen von Paris, Nizza und Berlin hat man sich in London auf einen Anschlag dieser Art vorzubereiten versucht. Noch am letzten Sonntag fand auf der Themse eine Übung statt, bei der Polizisten probeweise ein Vergnügungsboot stürmten.

Geheimdienste in Großbritannien haben seit Langem erklärt, dass mit einem Terroranschlag auf der Insel „fest gerechnet werden“ müsse. Seit Jahren befindet sich England auf der zweithöchsten Terror-Alarmstufe überhaupt. Zahlreiche Anschläge wollen die Geheimdienste der Insel durch solide Aufklärungsarbeit verhindert haben. Aber natürlich gibt es keinen Schutz gegen einen Einzelgänger, der sein Auto zum Mordwerkzeug macht und mit dem Messer in der Hand auf einen Polizisten losstürmt – auch nicht im eigentlich streng bewachten Regierungsviertel der Insel.

Die Bundeskanzlerin spricht ihr Mitgefühl aus

Londons Bürgermeister Sadiq Khan wandte sich mit einer trotzigen Botschaft an die Öffentlichkeit. „Londoner werden sich niemals von Terror einschüchtern lassen“, sagte Khan. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagiert mit Bestürzung auf die Angriffe. „Ich denke in diesen Stunden in Anteilnahme und Solidarität an unsere britischen Freunde und an alle Menschen in London.“ Sie bekräftige für Deutschland und seine Bürger: „Im Kampf gegen jede Form von Terrorismus stehen wir fest und entschlossen an der Seite Großbritanniens.“ US-Präsident Donald Trump telefonierte mit Premierministerin Theresa May und versprach ihr Unterstützung.