Papst Franziskus bewegt sich auch am zweiten Tag seiner heiklen Pilgerreise mit klaren Worten und starken Gesten souverän durch das politische Minenfeld des Nahen Ostens. Aber selbst ein Pontifex stößt hier bisweilen an Mauern.

Papst Franziskus bewegt sich auch am zweiten Tag seiner heiklen Pilgerreise mit klaren Worten und starken Gesten souverän durch das politische Minenfeld des Nahen Ostens. Aber selbst ein Pontifex stößt hier bisweilen an Mauern.

 

Bethlehem/Jerusalem - Tief versunken steht das Oberhaupt der katholischen Weltkirche vor der mehr als fünf Meter hohen, verrußten Betonmauer. Kurzentschlossen, wie es seine Art ist, hatte er sein Papamobil am Sonntag bei einer Fahrt durch Bethlehem stoppen lassen und sich unter die Menge gemischt. In sich gekehrt verharrt er dann am steingewordenen Symbol des Nahost-Konflikts und des Leidens der Palästinenser. Er betet minutenlang.

Als Tragödie hat sein Vorgänger Benedikt XVI. das Bauwerk bezeichnet, mit dem sich Israel vor Angriffen extremistischer Palästinenser schützen will. Franziskus wählt eine ganz schlichte aber starke Geste: er berührt den Beton sachte mit der Stirn, so als ob es eine Art palästinensische Klagemauer wäre. Seine Botschaft auf der Reise durch drei Länder ist ebenso schlicht und stark: Menschen brauchen Frieden und keine Mauern.

Franziskus ist als Pilger ins Heilige Land gekommen, um bekannte Stätten seines Glaubens zu besuchen. Am Vorabend hat er in Jordanien eine der möglichen Taufstätten Jesu in Bethanien jenseits des Jordan besucht. Es ist ein Bild der Besinnung und Ruhe auf dieser Reise des 77-Jährigen, die er selbst entschieden und geplant hat. Lange kann ein solcher Moment nicht anhalten.

Nur Minuten später tritt in der Tat der andere Jorge Mario Bergoglio auf, der immer auch das Gewicht seiner moralischen Autorität in die Waagschale wirft und sich über den Gang der politischen Weltgeschäfte entrüstet: Der Papst geißelt vor Flüchtlingen und behinderten Kindern die Waffenhändler, die auch am Bürgerkrieg in Syrien ihr schmutziges Geld verdienen und die gesamte Region viel zu lange schon zum Pulverfass gemacht haben.

Dieses mitunter heikle Austarieren zwischen seinem geistlichen Auftrag und den brennenden politischen Anliegen bekommt der aus Rom angereiste Oberhirte von 1,2 Milliarden Gläubigen überzeugend hin. Schon am Sonntag, bei Treffen mit Palästinensern und den ersten Terminen in Israel, sollte Franziskus diese Kunst wieder aufbringen müssen: Er vertritt keine politische Macht, muss bei dem unablässigen Werben für Frieden immer alle Seiten ansprechen.

Der Papst lädt Peres und Abbas in den Vatikan ein

Franziskus hält Gläubige und Sicherheitskräfte in Atem, wickelt ein Riesenprogramm im Heiligen Land ab - drei Tage, drei Länder und dabei nicht weniger als 14 Ansprachen und Predigten. „Das große Ziel“ verfolgt er, predigt er: Es müsse ganz dringend für das seit Jahren blutende Syrien Frieden ausgehandelt werden, und es brauche eine „gerechte“ Lösung für den Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern. „Frieden kann man nicht kaufen.“ Das ist so ein Satz, mit dem Franziskus zum Nachdenken einlädt.

Der Pontifex, dem die Schutzlosen und Ausgegrenzten am Herzen liegen, brachte auf den Krippenplatz von Bethlehem diese Botschaft mit: „Wo immer die Kinder angenommen, geliebt, versorgt und geschützt werden, ist die Familie gesund, die Gesellschaft gesünder und die Welt humaner.“ Sagt es und prangert eine Welt an, die Kinder ausbeutet, missbraucht, auch versklavt. Das sei schlichtweg eine Schande vor Gott, klagt er.

Folgerichtig kam Franziskus bei seinem kurzen Ausflug zu den Palästinensern wie zuvor bereits in Jordanien mit jungen Menschen zusammen - mit Flüchtlingskindern in dem Camp Deheische. Nach heiler Welt hatte es am Vortag noch ausgeschaut, als ihm von jordanischer Kinderhand in Amman zum Start seiner Nahostreise ein Iris-Strauß überreicht wurde. Was das Flüchtlingselend, in Nahost oder anderswo, für Millionen Kinder bedeutet, beschwert ihn. Denn wie es den Kindern geht, so geht es der Welt, meint er.

Aber Franziskus belässt es nicht bei Worten. Von Bethlehem aus lud er Israels Präsidenten Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu einem gemeinsamen Gebetstreffen für den Frieden ein. Dafür stelle er den Vatikan zur Verfügung, sagte Franziskus. Es gehe darum, „von Gott das Geschenk des Friedens zu erflehen.“