Die Bedürfnis der Stuttgarter, Flüchtlingen mit Sachspenden zu helfen, ist groß. Angebot und Nachfrage passen aber nicht immer zusammen. Eine Facebookgruppe will das Dilemma lösen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Das Schicksal der Menschen, die ihre Heimat auf der Flucht vor Krieg und Terror verlassen mussten, wie die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, rührt die Stuttgarter an. Das Bedürfnis zu geben sei groß, berichtet Armin Albrecht, der Leiter des Migrations- und Sozialdienstes der Evangelischen Gesellschaft. Gegenüber den Vorjahren sei ein enormer Anstieg bei den Sachspenden zu verzeichnen, wobei natürlich auch die Zahl der Flüchtlinge stark zugenommen habe. Rund 2800 leben aktuell in Unterkünften in der Stadt.

 

„Die Hilfsbereitschaft ist sehr groß“, sagt auch Stefan Spatz vom Sozialamt. Weil viele Bürger in den Wochen vor Weihnachten Sachen abgeben wollten, wurde vorübergehend sogar einen Raum im Rathaus als Lager umfunktioniert. Nach Auskunft von Spatz sei vor allem Spielzeug und sehr viel Kleidung abgegeben worden.

Die Lager sind voll

Zu Kleiderspenden ruft die Evangelische Gesellschaft inzwischen nicht mehr auf, der Aufwand mit der Sortierung sei zu groß, erklärt Armin Albrecht. Trägerübergreifend hätten sie sich schon unterhalten, weil die Lagerung der gespendeten Klamotten ein Problem sei. „Wir haben mittlerweile Kapazitätsprobleme“, berichtet Albrecht. „Unsere Lager sind voll“, bestätigt Doris Trabelsi von der Flüchtlingshilfe der Caritas. Auch der Freundeskreis im Neckarpark schreibt auf seiner Homepage „aufgrund der sehr begrenzten Lagerfläche und der bisherigen Spendenflut (...) keine Spenden mehr abzugeben“.

Wird also nichts mehr benötigt? Doris Trabelsi von der Caritas weist dies zurück. Das Problem: Angebot und Nachfrage passten oft nicht zusammen. „In einer Unterkunft haben wir lauter Jeans in XXL gespendet bekommen, dort leben aber lauter schlanke Männer“, schildert sie das Dilemma. In einem anderen Heim fehlten Männerschuhe in Größe 44, gespendet wurden dort jedoch fast nur Damenschuhe.

Eine Facebookgruppe vermittelt

Armin Albrecht von der Eva rät Menschen, die helfen möchten, sich gezielt in den Unterkünften vor Ort an die Freundeskreise und die Sozialarbeiter zu wenden und zu fragen, was tatsächlich benötigt wird. Der Plieninger Freundeskreis macht es einem da zum Beispiel einfach: Er stellt regelmäßig auf seine Seite Gesuche, ähnlich geht der Freundeskreis Neckarpark vor, der aber wie gesagt gerade nichts annimmt.

Sehr direkt ist auch der Facebookauftritt Refugees Welcome to Stuttgart, der auf eine Initiative der Stadtisten zurückgeht. In dem sozialen Netzwerk werden fürs gesamte Stadtgebiet klar beschriebene Gesuche gepostet, zum Beispiel, dass für eine Unterkunft in Möhringen große Töpfe, Besteck und eine Erstausstattung für ein Baby benötigt würden. In einem anderen Beitrag heißt es, dass Herrenwinterschuhe in den Größen 41 bis 44, „eine Kickboxausrüstung (Hose, Schutzschuhe, das würde schonreichen) um einem jungen Syrer eine Freude zu machen“ und Bettwäsche, Spannbetttücher in der Größe 90 Mal 200 gesucht würden. Die Initiatoren stellen direkt die Kontakte her – zu den Sozialarbeitern, zu Ehrenamtlichen oder zu den Flüchtlingen selbst. „Die Nachfrage und das Angebot sollen zueinander passen“, sagt Patricia Söltl von den Stadtisten. Sie würden nicht nur sachliche Unterstützung vermitteln, sondern auch ehrenamtliche Hilfe. So hätten sie zum Beispiel schon einen Übersetzer gefunden, der Formulare ins Arabische übersetzt, und eine Person, die einem jungen Flüchtling bei der Arbeitssuche hilft.

Oft ist Geld nötig, um zu helfen

Die Idee zu der Facebookseite kam Patricia Söltl über ihr Engagement in einer Unterkunft im Westen. „Ich hatte das Gefühl, man müsste mit weniger Aufwand mehr erreichen können“, sagt die Stuttgarterin. Doris Trabelsi von der Caritas findet die Idee, über Facebook zielgerichtetes Spenden zu erleichtern, „sehr gut“.

Der Arbeitskreis Asyl weist darauf hin, dass oft schlichtweg Geld nötig ist, um Flüchtlingen zu helfen. Der Arbeitskreis übernimmt beispielsweise Rechtsanwaltskosten oder schießt Fahrtgeld zu, wenn jemand mit dem Zug zum Konsulat fahren muss, um einen Pass zu beantragen. „Ein Kosovare musste 90 Euro Gebühren für den Pass zahlen“, berichtet der Asylpfarrer Werner Baumgarten. Auch ihm habe man geholfen. Erst kürzlich hätten sie eine Jesidin unterstützt, die eine Trauerfeier für die verstorbene Enkelin abhalten wollte und sich das nicht hätte leisten können. Die große Zunahme an Flüchtlingen, merkt man beim AK Asyl finanziell. „Wir sind bei den Flüchtlingen sehr bekannt“, sagt Baumgarten. Entsprechend sei der Zulauf. „Wir müssen uns schon strecken.“