Die SPD bezichtigt die Kanzlerin des „Anschlags auf die Demokratie“. Für die Union ist das eine Umdrehung zuviel. Schwamm drüber, meint indes die Kanzlerin.

Berlin/München - Die Verbal-Attacke von SPD-Chef Martin Schulz gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bringt die Noch-Koalitionspartner zusehends gegeneinander auf. Führende Unionspolitiker reagierten am Montag empört auf den Vorwurf von Schulz, Merkel verweigere sich inhaltlichen Festlegungen und gefährde damit die Demokratie. Die Kanzlerin selbst reagierte dagegen gelassen: „Schwamm drüber, würde ich sagen“, sagte sie am Abend bei einer Veranstaltung in Berlin.

 

Einen Tag nach dem Beschluss des SPD-Wahlprogramms berieten die Vorstände von CDU und CSU am Montag getrennt über das Unions-Konzept, das am 3. Juli beschlossen werden soll. Schwerpunkte sollen Förderung von Familien, Sicherheit und Arbeitsplätze sein. Detailfragen blieben aber offen.

CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte, Schulz habe mit seiner Kritik an Merkel wohl schon jetzt „die Nerven verloren“. CDU-Vize Armin Laschet sagte, der SPD-Chef solle seine „billige Attacke“ zurücknehmen. Die Kanzlerin sei ganz sicher keine Gefahr für die Demokratie, sagte auch CDU-Vize Thomas Strobl. CDU-Bundesvize Julia Klöckner mahnte: „Diese Wortwahl haben wir bei Terroristen genutzt bisher.“

Der SPD-Kanzlerkandidat hatte beim Parteitag am Sonntag in Dortmund gesagt, Merkel und die Union drückten sich vor inhaltlichen Aussagen und nähmen damit eine geringere Wahlbeteiligung in Kauf. „Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie.“ CDU-Generalsekretär Peter Tauber widersprach entschieden. „Wir wollen mobiliseren“, sagte er nach der Vorstandssitzung. Dies hätten die jüngsten Landtagswahlen gezeigt, bei denen die CDU Nichtwähler habe motivieren können.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Es ist offensichtlich, dass für die Bundesregierung klar ist, dass wir alle zusammen für die Demokratie arbeiten.“ Hamburgs früherer SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sprach in der „Welt“ von einer „Entgleisung“ von Schulz.

SPD-Vize Ralf Stegner und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigten Schulz dagegen. Dieser habe mit seiner Kritik an Merkel einen „wunden Punkt“ getroffen, sagte Stegner. Oppermann sagte in der ARD: „Wahlkampf ist nicht das Hin- und Herwerfen von Wattebäuschen, sondern da muss man auch mal konkret werden. Ich finde das ist in diesem Fall gelungen.“

CDU und CSU wollen am 3. Juli ihr Wahlprogramm vorstellen. Kernpunkte werden nach mehrfachen Ankündigungen Merkels Verbesserungen für Familien (etwa durch ein Baukindergeld) und Bildung sowie milliardenschwere Steuerentlastungen sein. Unionsintern ist die Höhe aber noch nicht geklärt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt eine Größenordnung von 15 Milliarden Euro Entlastung bei der Einkommensteuer, es gibt aber Rufe nach einer stärkeren Entlastung. Tauber sagte: „Wir sind uns einig, dass wir niemanden mehr belasten wollen, sondern alle entlasten wollen.“

Vereinbart sei bisher die Senkung der Einkommensteuer ab 2019 und ab 2020 der Abbau des Solidaritätszuschlags, verlautete aus Unionskreisen. Der Spitzensteuersatz solle erst ab 60 000 Euro greifen (bisher rund 53 600) und Forschungsausgaben sollen künftig steuerlich absetzbar werden, hieß es bei der CSU. Dies berichtete auch das „Handelsblatt“. Der Kinderfreibetrag soll nach dpa-Informationen angehoben und das Kindergeld erhöht werden, zunächst womöglich um 20 Euro. Ferner solle die Kinderbetreuung an Grundschulen verbessert werden.

Nach Berichten der Zeitungen der Funke Mediengruppe sowie der „Süddeutschen Zeitung“ sehen CDU-Pläne einen Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder vor. Außerdem sollten Handwerker das sogenannte Meister-Bafög nicht mehr zurückzahlen müssen, wenn sie ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben.

Die „Welt“ berichtet, die „Reichensteuer“ von 45 Prozent könne künftig ab 232 000 Euro Jahreseinkommen für Ledige greifen und nicht erst wie bisher ab 250 731 Euro. Kompensiert würde dies durch eine Einschränkung der sogenannten kalten Progression, die auch Spitzenverdienern zugute kommen solle.