Die Verabschiedung von Christian Wulff mit militärischen Ehren ist umstritten. Kuriose Veranstaltungen gab es aber schon früher.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Der Große Zapfenstreich hat eine lange Tradition. Erstmals wurde er 1838 für den russischen Zaren Nikolaus I. in Berlin aufgeführt. Er wird auch das von vielen Politikern gemiedene feierliche Finale für Christian Wulff am Schloss Bellevue unbeschadet überdauern.

 

Die militärische Ehre wird mittlerweile ausscheidenden Präsidenten, Kanzlern, Verteidigungsministern und (General-)Inspekteuren zuteil. Somit bleiben die Musiker in der Übung: Mit Christian Wulff kommt binnen 20 Monaten schon der zweite Ex-Präsident in den Genuss. Zudem hat die Bundesrepublik bereits 15 Ibuk (Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt) vor Thomas de Maizière verabschiedet. Vor einem Jahr ließ AC/DC-Anhänger Karl-Theodor zu Guttenberg ein militärisches Plagiat des Rockklassikers „Smoke on the Water“ von Deep Purple erklingen. 2009 hatte sich Franz Josef Jung noch ebenso hintersinnig für „Time to say Goodbye“ entschieden. Immer mehr erhält der in seinem Ablauf so starre Zapfenstreich den Charakter eines Popwunschkonzerts.

Tradition der Landsknechte

2002 hatte der geschasste Rudolf Scharping (SPD) mit der Musik weniger Mühe als mit Gerhard Schröder. Der damalige Kanzler mied jeden Blickkontakt mit dem in Ungnade gefallenen Verteidigungsminister. Drei Jahre später erhielt Schröder seinen eigenen Zapfenstreich in Hannover. Als das Stabsmusikkorps Sinatras „My Way“ spielte, traten ihm Tränen in die Augen. Unvergessen ist auch die geisterhafte Verabschiedung des Viersternegenerals Günter Kießling. Wegen Gerüchten über eine angebliche Homosexualität hatte Verteidigungsminister Manfred Wörner den Nato-Offizier Ende 1983 vorzeitig pensioniert. Als sich die Vorwürfe in Luft auflösten, musste er ihn rehabilitieren und ehrenvoll in den Ruhestand schicken. Mit Leichenbittermiene ließ Wörner die Prozedur neben Kießling stehend über sich ergehen.

Erstmals wurde der Zapfenstreich in der Zeit der Landsknechte Ende des 16. Jahrhunderts erwähnt. Mit einem Schlag (Streich) auf den Zapfen eines Fasses wurde das Zeichen zur Nachtruhe gegeben. Später geschah dies mit Trompeten-, Flöten- und Trommelsignalen. Das heute übliche Zeremoniell entwickelte sich in der preußischen Zeit der Befreiungskriege von 1813 bis 1815. König Friedrich Wilhelm III. ließ ein Gebet hinzufügen, und seit 1922 endet das Ganze mit der Nationalhymne.

Fernsehen Der Große Zapfenstreich für Christian Wulff wird am Donnerstag von mehreren Sendern übertragen – in der ARD von 19 bis 19.45 Uhr.